Teile deformationsarm spannen
Problemlöser und ihre Stärken
Wer Ringe, Flansche, Gehäuse oder andere dünnwandige Teile drehen, fräsen oder schleifen will, stößt mit konventionellen Backenfuttern oder Planscheiben schnell an Grenzen: Beim Spannvorgang verformen sich die Teile, Form- und Lagetoleranzen lassen sich nur schwer einhalten und die Störkonturen der Spannmittel schränken die Zugänglichkeit ein. Dabei gibt es jede Menge Alternativen – vom ausgleichenden Mehrbackenfutter über die Magnetspanntechnik bis zur Pendelbacke. Damit es rund läuft, lohnt es sich, die Stärken der einzelnen Problemlöser zu kennen.
Hybridfutter
Bei der deformationsarmen Werkstückspannung gilt wie so oft: eine pauschale Lösung gibt es nicht. Die Anforderungen an das Werkstück, Art und Häufigkeit der Bearbeitung sowie die Einbindung in die Prozesskette variieren so stark, dass stets eine individuelle Betrachtung sinnvoll erscheint. Dabei geht es um folgende Fragen: Welche Teile sollen in welchen Losgrößen bearbeitet werden? Wie flexibel muss die Maschine genutzt werden können? Welche Form- und Lagetoleranzen gilt es einzuhalten? Wie wird sich das Teilespektrum in Zukunft entwickeln?
Erst wenn diese und weitere Aspekte geklärt sind, lässt sich die jeweils optimale Spannlösung definieren.Bei Pendelbacken machen sich Anwender die Zahl der Spannpunkte zunutze, um Deformationen am Werkstück zu minimieren. So steigt bei identischer Spannkraft und einer Verdoppelung der Spannpunkte die erzielbare Rundheitsgenauigkeit in der Praxis um den Faktor 10. Meist bestehen Pendelbacken aus einer beweglich gelagerten Pendelbrücke mit zwei Spanneinsätzen, die mithilfe eines Lagerbolzens auf eine Trägerbacke montiert werden. Bei anspruchsvollen Anwendungen können es auch vier oder sechs Spanneinsätze sein, wahlweise weich oder einsatzgehärtet.
Sechspunkt-Pendelfutter
Formtoleranzen kompensieren
Da Pendelbacken wie einteilige Aufsatzbacken montiert werden, lässt sich ein konventionelles Dreibackenfutter innerhalb kürzester Zeit auf eine Sechspunktspannung umrüsten. Da sich die Backen dem Werkstück anpassen, können sie beispielsweise bei Gusskörpern Formtoleranzen innerhalb eines gewissen Bereichs kompensieren. Von Vorteil ist es, wenn sich Pendelbacken zur Fertigbearbeitung oder zum Spannen vorgedrehter Flächen feststellen lassen. Um höhere Drehzahlen zu ermöglichen, sollten die Backen möglichst leicht sein. Über Berechnungsprogramme lässt sich ermitteln, welche Pendelung erforderlich ist, um vorgegebene Rundheitstoleranzen einzuhalten. Vor allem bei kleinen Toleranzen zahlt sich Erfahrung aus, denn mit ausgereiften Sonderlösungen können enorme Effekte erzielt werden.
Es gibt aber auch Einschränkungen: So sind Pendelbacken vergleichsweise teuer, sie tragen stark auf, bringen zum Teil reichlich Gewicht auf die Waage und sind in puncto ›Flexibilität‹ eingeschränkt. Einen neuen Benchmark bei pendelnd ausgleichenden Spannmitteln zur deformationsarmen Werkstückspannung definieren hydraulische Ausgleichsbacken. Sie kombinieren eine ausgleichende Werkstückspannung mit einem Fliehkraftausgleich, schwingungsdämpfenden Eigenschaften und µ-genauem Rundlauf.
Zentrales Merkmal ist ein integriertes Ölkammersystem, über das zwei oder mehr Spannelemente zur Roh- oder Fertigteilspannung pendelnd gelagert werden. Indem sich diese individuell an das Werkstück anschmiegen, werden Formtoleranzen beispielsweise von Gusskörpern zuverlässig kompensiert. Gegenüber einer herkömmlichen Dreipunktspannung vervielfacht sich die Zahl der Spannpunkte, wodurch die Deformation des Werkstücks sinkt und die erzielbare Rundheit deutlich steigt.
12-Punkt-Pendelbacken
Ohne Spannkraftverlust
Bei hohen Drehzahlen sorgt das hydraulische Spannsystem automatisch für einen Fliehkraftausgleich, sodass die Spannkraft stets zuverlässig erhalten bleibt. Um Werkstückdeformationen zu minimieren, kann die Spannkraft daher im Vergleich zu bisherigen Lösungen ohne Einschränkungen für die Prozesssicherheit deutlich reduziert werden. Für eine maximale Präzision am Bauteil, lässt sich zudem der Rundlauf µ-genau an den Spannbacken einstellen. Zusätzlich kommen die schwingungsdämpfenden Eigenschaften des Ölkammersystems der Oberflächenqualität des Werkstücks und den Werkzeugstandzeiten zugute. Hydraulische Ausgleichsbacken eignen sich zur deformationsarmen Außenspannung von runden Roh- und Fertigteilen und sind für alle Drehfuttergrößen und -verzahnungen lieferbar.
Ein oft unterschätzter Problemlöser sind Spezialbacken aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Ihr hoher Reibwert von 0.3 bis 0.4 sowie ein großer Umschlingungswinkel gewährleisten, dass auch bei geringen Spannkräften hohe Bearbeitungskräfte übertragen werden. Dabei sorgt die Stützstruktur der Aluminium-Trägerbacke für Stabilität. Aufgrund des geringen Gewichts entstehen während Drehoperationen nur geringe Backenfliehkräfte. Daher sind Kunststoffbacken auch für hohe Bearbeitungsdrehzahlen bis 6 000 min-1 geeignet. Hinzu kommt, dass sie selbst auf geschliffenen oder oberflächenbehandelten Teilen keinerlei Spannmarken bilden. Wechselbare Spanneinsätze machen die Lösung unter Kostenaspekten zusätzlich attraktiv.
Je kleiner die Toleranzen am Werkstück und je höher die erforderliche Wiederholgenauigkeit desto mehr spricht für pendelnd ausgleichende Sechsbackenfutter. Sie bestehen aus einem zentralen Futterkolben, der drei unter 120 Grad angeordnete innere Pendel trägt. Jedes Pendel ist mit zwei Grundbacken verbunden. Das Ergebnis ist eine Werkstückzentrierung zwischen sechs Berührungspunkten, die paarweise ausgemittelt werden. Da die Spannkräfte auf das Futterzentrum gerichtet sind, ergibt sich auch bei Rohteilen eine optimale Zentrierung ohne Überbestimmung des Werkstücks. Werkstücke sind in den Sechsbackenfuttern innerhalb kürzester Zeit ausgerichtet und gespannt. Mit ihren pendelnden Backen passen sich die Futter perfekt ans Rohteil an.
Zur Fertigbearbeitung oder zum Spannen von vorgedrehten Flächen lassen sich die Pendel ähnlich wie Pendelbacken in Mittelstellung klemmen, sodass sich alle sechs Backen konzentrisch bewegen. Dank der hohen Präzision lassen sich zum Teil ganze Fertigungsschritte eliminieren, beispielsweise wenn bereits beim Schlichten Toleranzen erreicht werden, die ansonsten nur in aufwändigen Schleifoperationen erzielbar wären.
Ein regelrechter Rüstzeitkiller bei der deformationsarmen Werkstückspannung sind Magnetspannplatten mit elektrisch aktiviertem Permanentmagnet. Diese werden in unterschiedlichen Ausführungen zur deformationsarmen Werkstückspannung eingesetzt. Am gebräuchlichsten sind Radialpolplatten bei denen die Magnetelemente strahlenförmig um das Zentrum angeordnet sind. Mit ihnen lassen sich beispielsweise Kugellagerringe in einer einzigen Aufspannung am Außen- und Innendurchmesser sowie an einer Stirnseite bearbeiten.
Da das Magnetfeld bis in die äußerste Randzone wirkt, werden selbst große Werkstücke sicher und deformationsfrei gespannt. Aufgrund der flächigen Haltekraft erfolgt die Bearbeitung weitgehend vibrationsfrei. Das schont die Schneiden der Werkzeuge und verbessert die Qualität der Werkstückoberfläche. Zum Ausrichten der Werkstücke lässt sich die Haltekraft über die Steuerung beziehungsweise über die Haltekraftregulierung einstellen.
Um eine optimale Stabilität zu gewährleisten, sollten Radialpolplatten bis zu einem Durchmesser von 4 000 mm aus einem einzigen Stück gefertigt werden. Bei größeren Plattendurchmessern können Platten in Segmentbauweise Vorteile bringen, da sich diese einfacher transportieren lassen. Passend zur jeweiligen Anwendung gibt es standardisierte Radialpolplatten in drei Ausführungen: Für Schleifoperationen als AlNiCo Single-Magnet-System; für Drehoperationen als AlNiCo Double-Magnet-System mit hohen Haltekräften. Und schließlich für die anspruchsvolle Volumenzerspanung beim Fräsen und Drehen als extra starkes AlNiCo-Neodym Magnet-System.
6-Backen-Pendelausgleichsfutter
Clevere Spannlösung
Anwender, die auf Fräs-Drehzentren besonders flexibel agieren wollen, kombinieren Magnetspannplatten mit Quadratpoltechnik zu einem effizienten Doppel: Sie verwenden die Magnetspannplatten sowohl nach oben zur Spannung der Werkstücke als auch nach unten zur flexiblen Platzierung der Spannlösung auf dem Maschinentisch. Innerhalb weniger Minuten lässt sich eine solche Lösung aufbauen und mit einem Werkstück bestücken.
Dabei gewährleisten variable Polverlängerungen eine sichere und zugleich deformationsfreie Werkstückspannung. Ohne zusätzlichen Rüstaufwand können auf den Quadratpolplatten im Wechsel unterschiedlich große Werkstücke hochpräzise von drei beziehungsweise fünf Seiten bearbeitet werden. Mithilfe einer mehrstufigen Haftkraftregulierung lassen sich die Teile ausrichten und innerhalb von Sekunden über einen kurzen Stromimpuls deformationsfrei spannen. Wie bei den Radialpolplatten ist auch bei der Quadratpoltechnik nach Aktivierung des Permanentmagnets keine weitere Energiezufuhr erforderlich. Gegenüber konventionellen Spannlösungen sinkt die Rüstzeit um 30 bis 80 Prozent.
Die Spitze der deformationsarmen Werkstückspannung bilden Hybridfutter, bei denen die Technologie eines klassischen Drei- oder Sechsbacken-Zentrierfutters mit der Technologie einer Radialpolplatte verschmilzt. Der Spannprozess ist denkbar einfach gestaltet: Das Werkstück wird manuell eingelegt, von drei Spannbacken referenzgenau zentriert und anschließend von den Elektropermanentmagneten sicher gespannt. Vor allem bei großen Ringen zahlt sich aus, dass Vibrationen vollständig eliminiert werden, was sich auf die Werkstückqualität sowie auf die Werkzeugkosten auswirkt. Die Teile werden vorgeschruppt, anschließend wird der Magnet kurzzeitig deaktiviert, um Werkstückverspannungen zu lösen, und schon kann das Teil fertiggedreht werden. Hybridfutter lassen sich in unterschiedlichen Leistungsstufen aktivieren. Sie eignen sich zum Einsatz auf Karusselldrehmaschinen, Fräs-Drehmaschinen, Vertikal-Pick-Up-Drehmaschinen sowie auf Sondermaschinen.
Quadratpolplatten
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