Welt der Fertigung
Sie sind hier: Startseite » Suchen » Technische Museen » Niedersachsen

Die Geschichte des Rammelsberg

Das große Erzlager aus dem Ozean

Wer wissen möchte, auf welche Weise sich so unterschiedliche Metalle, wie Kupfer, Blei und Zink an ­einem Ort in großer Menge einfinden konnten, der ist im Besucherbergwerk Rammelsberg an der richtigen Stelle. Hier wird nicht nur die Geschichte des Bergbaus lebendig, sondern auch gezeigt, dass die Natur staunenswerte Phänomene kennt, die den technischen Aufstieg des Menschen erst möglich machten.


Black Smoker, auch Schwarze Raucher genannt, sind weithin bekannte hydrothermale Quellen, die am Grund der Tiefsee zu finden sind. Bis zu 20 Meter hoch werden die Schlote, aus denen bis zu 350 Grad Celsius heißes Wasser strömt. Dunkle Wolken weisen darauf hin, dass aus den Schloten nicht nur reines Wasser ausströmt, sondern auch Metallsulfide vom Wasser mitgerissen werden. Schwarze Raucher existieren zwar nur zwischen 10 und 100 Jahren ehe sie etwa wegen der erreichten Höhe des Schlots zusammenbrechen, doch entstehen sie an anderer Stelle immer wieder neu und dies seit Urzeiten.

Sie gehören zu den gestaltenden Naturphänomenen der Erde. Nicht zuletzt Ihnen ist es zu verdanken, dass der Mensch an Metalle kommt, die wegen ihrer Dichte eigentlich nicht an der Oberfläche der Erde zu finden sein dürften. Schließlich wanderten beim Entstehungsprozess der damals glutflüssigen Erde schwere Metalle in Richtung Erdkern. Neben der Plattentektonik sind gerade die Schwarzen Raucher dafür verantwortlich, dass schwere Metalle wieder an die Oberfläche der Erde befördert wurden.

Ständige Veränderung

Dazu sind unglaublich lange Zeiträume nötig, in denen sich natürlich auch die Gestalt der Erde fortlaufend verändert. Was heute festes Land ist, kann in einigen Jahrtausenden schon Meeresboden sein. Umgekehrt kann Meeresboden durchaus einmal der Gipfel eines Gebirges werden, wie es heute die Alpen sind. Die Erde ist also einem ständigen Wandel unterworfen, der ohne menschliches Zutun seit der Geburt dieses Planeten stattfindet. Große Teile Deutschlands und Europas, damit auch das Gebiet des Bergwerks Rammelsberg, waren im Devon-Zeitalter vor rund 380 Millionen Jahren von einem Ozean bedeckt, in dem es selbstverständlich auch Schwarze Raucher gab.

Diese haben dort über einen sehr langen Zeitraum Metallsulfide aus dem Erdinneren nach oben transportiert, die sich in der Umgebung ablagerten. Im Laufe der Zeit entstand so eine Ansammlung von Erzen, die sich auf einer Fläche von rund 200 Quadratkilometern verteilten. Das Abbaugebiet des Bergwerks Rammelsberg gibt es also nur deshalb, weil sich hier Meeresboden befand, in dem Schwarze Raucher aktiv waren.

Das Gebiet war relativ früh für seine erzhaltigen Gesteine bekannt. Wie archäologische Funde belegen, wurde hier bereits vor 3 000 Jahren Erz gewonnen, das in der Regel oberirdisch zu finden war. Der Untertage-Bergbau begann vor 1 000 Jahren. Seither wurde in Rammelsberg ununterbrochen gegraben, abtransportiert und aufbereitet. Dies ist in der Geschichte des Bergbaus weltweit einzigartig. In der Tiefe des Berges lagerten einst 27 Millionen Tonen Kupfer-, Blei- und Zinkerze. Dieser Wert bescherte den Bergleuten ein gutes Einkommen und der Stadt Goslar einen großen Reichtum. Über einen langen Zeitraum war das Rammelsberger Bergwerk die weltweit bedeutendste Erzabbaustätte.

Mitte der 1930er Jahre wurde der Rammelsberg als wehrwirtschaftliches Projekt eingestuft, daher exakt berechnet, wie lange der Erzabbau sich lohnen würde. Da die Berechnung noch viele Jahrzehnte ergab, wurde das Bergwerk grundlegend modernisiert. Die Zweckbauten wurden damals so geschickt am Berg errichtet, dass das geförderte Erz alleine über die Schwerkraft in die einzelnen Verarbeitungsstationen geleitet werden konnte, wo es gemahlen und sortiert wurde. Heute sind die Lagerstätten, wie damals berechnet, weitgehend ausgebeutet, weshalb der Bergwerksbetrieb 1988 stillgelegt wurde.

Die Vergangenheit im Blick

Das Faszinierende ist nun, dass der Besucher das Bergwerk so vorfindet, wie es die letzten Kumpel 1988 verlassen haben. Sogar deren Bergmannskluft hängt nach wie vor an der Decke und könnte jederzeit für eine neue Schicht heruntergelassen werden. Auf die Frage, warum die Arbeitskleidung eigentlich in luftiger Höhe hängt, bekommt der Besucher die Auskunft, dass Bergmannskleidung nach der Arbeit oft nass ist und die Nässe in einem Spind nicht trocknen würde. In der Höhe hingegen befindet sich warme Luft, weshalb die Kleidung bis zur nächsten Schicht trocken sei. Die aufregende Einfahrt in den Berg machen Besucher mit der gleichen Grubenbahn, wie damals die Kumpel.

Bereits hier bekommt man einen Eindruck vom harten Beruf des Bergmanns. Zusammengekauert in einer sehr kleinen Kabine geht es in den Berg. Teilweise ist es stockdunkel, da es Licht nur an den Tunellwänden gibt. Hier kommt Abenteuer-Atmosphäre auf, zeigt aber auch, dass unser modernes Leben mit wenig bequemer Technik seinen Anfang nimmt. Nach wenigen Minuten hält die Grubenbahn, die Türen öffnen sich und der Besucher blickt in eine eigenartige Welt, die sich 500 Meter tief im Berg befindet. Anders als in nachgestellten Bergwerken von herkömmlichen Museen wird man von einer nassen Umgebung empfangen, in der Schlamm keine Dekoration ist.

Ungeschminkt wird gezeigt, dass der Beruf des Bergmanns nur für Leute mit robuster Gesundheit in Frage kommt. Der Umgang mit lärmenden Drucklufthämmern, das Arbeiten in zugiger Umgebung und das Beladen von Loren mit schweren Steinen ist nichts für Schwächlinge. Zwar haben moderne Arbeitsmaschinen im Laufe der Zeit die Arbeit erleichtert, doch die Grundanforderungen an Statur und Gesundheit sind stets hoch geblieben.Übrigens müssen bewegungseingeschränkte Personen nicht auf das Vergnügen verzichten, das Bergwerk zu besichtigen. Ein umgebauter Grubenwagen, das sogenannte ›Rolli-Mobil‹ macht es möglich. Ein Unikat, das weltweit seinesgleichen sucht.

Interessante Technik

Nicht minder interessant geht es in den Übertageanlagen zu, die sehr weitläufig verteilt sind. Wie erwähnt, wurde das geförderte Erz stufenweise in die Aufbereitungsanlagen geleitet, wo es mittels raffinierter Verfahren in seine Hauptbestandteile zerlegt wurde. Dies war nötig, da im Erz bis zu 30 verschiedene Metalle gemeinsam vorkommen, die damals als Sulfide mithilfe der Schwarzen Raucher aufeinandergeschichtet wurden. Diese galt es zu trennen. Zu diesem Zweck wurde das Erz staubfein zermahlen und unter Zugabe von Wasser und Reagenzien zu Konzentraten angereichert.

Wer es genau wissen möchte wie dies vonstattenging, der kann mit einem Schrägaufzug – der damals ausschließlich zum Transport von Material genutzt wurde – zum höchsten Punkt der Anlage fahren und von dort dem Weg des Erzes von der Förderung bis hin zum hüttenfertigen Konzentrat folgen. Die Trennung wurde übrigens nur für die Hauptbestandteile Kupfer, Blei und Zink vorgenommen. Der Rest wird bis heute auf Deponien gelagert. Wertstoffe, die angesichts steigender Preise für Germanium und Indium durchaus einmal von Interesse sein könnten.

Der Besuch des ehemaligen Bergwerkmagazins ist ganz besonders zu empfehlen, da hier viele Geschichten rund um den Rammelsberger Bergbau erzählt werden. Hier gibt es zum Beispiel das Original eines Schmuckscheiben-Fragments zu sehen, das in einem Gräberfeld gefunden wurde und um 1060 vor Christus aus Bronze hergestellt wurde. Diese Schmuckscheibe wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Rammelsberger Kupfererz hergestellt, was zeigt, dass die Erzgewinnung in Rammelsberg tatsächlich eine lange Tradition hat.

Der Nachguss des Goslarer Kaiserthrons für die Goslarer Stiftskirche St. Simon und Judas zeigt, dass für das um 1060 bis 1080 nach Christus entstandene Original ebenfalls Erz aus Rammelsberg für die benötigte Bronze verwendet wurde. Die Form der Lehnen knüpft bewusst an diejenige des Kaiserthrons der Aachener Pfalzkapelle an.

Die um 1496 aus Blei entstandene Gaube der Neuwerkkirche in Goslar ist ebenfalls ein Nachweis für den Erzabbau von Rammelsberg. Natürlich wird auch erläutert, welchen Wert die Rohstoffe aus den Tiefen des Rammelsberges für die Farbenherstellung hatten. Zementkupfer, Vitriol, Kupferrauch und Ocker waren begehrte Rohstoffe für die Farbenfabriken, die beispielsweise aus Ocker rote, braune und gelbe Farben herstellten.

Nach so einer langen Tradition des Erzabbaus war es selbstverständlich, dass ein besonderes Event die Stilllegung des Rammelsberger Bergwerks dokumentieren soll. Im Künstler-Ehepaar Christo und Jeanne-Claude hat man die passenden Akteure gefunden, der Zeremonie einen stilvollen Rahmen zu geben. Es wurde die Idee geboren, einen erzgefüllten Förderwagen aus der letzten Schicht ansprechend zu verpacken. Dieser verpackte Förderwagen kann heute immer noch in der 1906 errichteten Kraftzentrale exakt so besichtigt werden, wie er 1988 verpackt wurde.

Womöglich kommt dereinst jemand vorbei und entpackt diesen symbolisch wieder, um die noch verbliebenen Erzlager angesichts höchster Erzpreise auszubeuten? Auf jeden Fall wird die Zeit zeigen, dass die Natur für eine beständige Neuformung der Erde sorgt. Irgendwann wird daher auch der vom Bildhauer Christoph Wilmsen-Wiegmann in einen Felsen eingearbeitete konkave künstlerische Schliff von der Natur zurückerobert werden. Zeit, die in den Berghang hineingebaute Aufbereitungsanlage zu besichtigen, ehe es soweit ist.

Video

Mehr Informationen:

Kontakt  Herstellerinfo 
Weltkulturerbe Rammelsberg
Museum und Besucherbergwerk
Bergtal 19
38640 Goslar
Tel.: 05321 750-0
Fax: 05321 750-130
E-Mail: info@rammelsberg.de
www.rammelsberg.de

War dieser Artikel für Sie hilfreich?

Bitte bewerten Sie diese Seite durch Klick auf die Symbole.

Zugriffe heute: 2 - gesamt: 7462.