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FGW: Die Kraft aus dem Metallgitter

FG-Legierungen und ihr Nutzen

Elektromotorische Aktoren bekommen zunehmend Konkurrenz durch Alternativen, die mit Formgedächtnislegierungen arbeiten. Die damit ausgerüsteten Aktoren sind kompakter, robuster und absolut zuverlässig. Aus diesem Grund interessieren sich immer mehr Konstrukteure für Formgedächtnislegierungen, um diese für unterschiedlichste Produkte zu nutzen.

Eine große Zahl von Patienten verdankt einer innovativen Erfindung ihr Leben: dem Stent. Diese Gefäßstütze kommt immer dann zum Einsatz, wenn es darum geht, durch Ablagerungen verengte Adern offenzuhalten. Dieses filigrane, per Laser zugeschnittene Drahtgebilde besteht aus einer besonderen Metalllegierung, die auf die Wärme im Körperinneren reagiert, sich daher von alleine ausdehnt und dabei eine verengte Ader dauerhaft offenhält. Alternativ kann der Stent sich auch durch superelastische Materialeigenschaften entfalten.

Die Ursache für diesen überraschenden Effekt ist in der Kristallstruktur der besonderen, in der Regel aus Nickel und Titan bestehenden Legierung zu finden. Während herkömmliche Metalle und Legierungen bis zum Schmelzpunkt stets die gleiche Kristallstruktur besitzen, ist dies bei Formgedächtnislegierungen nicht der Fall. Hier treten – abhängig von der auf die Legierung einwirkenden Temperatur – zwei unterschiedliche Gitterstrukturen auf.

Geheimnisvolle Wirkung

Diese Temperaturänderung bewirkt, dass eine reversible und diffusionslose austenitisch-martensitische Phasenumwandlung stattfinden kann. Die Hochtemperaturphase wird hier als Austenit, die Niedertemperaturphase hingegen als Martensit bezeichnet. Die Bezeichnung ›Hochtemperaturphase‹ ist rein technisch für den Zustand des Gitters zu verstehen und bedeutet nicht, dass hier besonders hohe Temperaturen wirken müssen, um eine Änderung des Gitterzustandes einzuleiten. Schon zehn Grad Celsius Unterschied reichen unter Umständen aus, die Phasenumwandlung einzuleiten. Interessant ist, dass die dabei entstehenden Kräfte innerhalb des Metallgitters wirken, was die Energien hervorbringt, die beispielsweise Stents aufweiten oder aus Formgedächtnislegierungen bestehende Federn zusammenziehen lässt.

Allerdings sind die Anwendungstemperaturen begrenzt, soll die Eigenschaft des Formgedächtnismetalls nicht leiden. Dies bedeutet, dass die Verwendung von Formgedächtnismetallen je nach Legierungstyp auf Temperaturen von maximal 110 Grad Celsius beschränkt ist. Es gilt, zu verhindern, dass eine Diffusion stattfindet, die dem Formgedächtniseffekt abträglich ist.

Bauteile aus einer Formgedächtnislegierung können so „trainiert“ werden, dass sie sich an zwei Zustände „erinnern“. Diese beiden Zustandstemperaturen können beispielsweise 20 und 50 Grad Celsius sein. Derart trainierte Bauteile können unter anderem in Badarmaturen verbaut werden, wo diese verhindern, dass versehentlich zu heißes Wasser aus dem Duschkopf läuft, was die Gefahr des Verbrühens verhindert.

Die Zustandstemperaturen hängen von verschiedenen Faktoren ab. Vor allem die Auswahl und Verteilung der Legierungszusammensetzung sowie die abschließende Wärmebehandlung beeinflussen diese Temperaturen stark. Zur Einstellung der gewünschten Form, beispielsweise einer Schraubenfeder, wird aus kaltgezogenem FG-Draht die gewünschte Federform gewickelt. Anschließend wird die Feder im mechanisch fixierten Zustand einem Wärmebehandlungsprozess unterzogen. An diese eingeprägte Form „erinnert“ sich das Material in der Hochtemperaturphase.

Derart trainierte Bauteile lassen sich sehr vielseitig einsetzen. So wurde beispielsweise bereits eine Konstruktion ersonnen, Pkw-Außenspiegel über einen federbetriebenen Aktor einzuklappen. Dabei genügt es, Strom durch FG-Drähte zu leiten, die sich dadurch auf die nötige Temperatur erwärmen, damit sich die Phasenumwandlung einstellt. In der Folge wird eine Feder gestaucht und der Spiegel nimmt seine Parkstellung ein. Wird der Stromfluss durch die FG-Drähte unterbrochen, bewegen sich diese wieder in die Grundstellung. Wird erneut Strom durch die FG-Drähte geleitet, wir der Vorgang wiederholt, diesmal bewirkt das stauchen der Feder jedoch ein Ausklappen des Spiegels, was der besonderen Konstruktion des Spiegel-Klappmechanismus geschuldet ist.

Überraschender Effekt

Die Eigenschaft der Formerinnerung kann für aktorische Anwendungen genutzt werden. Beim Zusammenziehen vorher gedehnter FG-Drähte werden Stellwege in Verbindung mit einer hohen Kraftwirkung realisiert. Dieses Phänomen unterscheidet derartige Legierungen von herkömmlichen Legierungen, die sich bekanntlich ausdehnen, wenn sie erwärmt werden. Dies erlaubt den Bau besonders kompakter Aktoren, wie sie beispielsweise für Satelliten benötigt werden, um Solarpaneele an den Sonnenstand anzupassen. Diese Lösung ist besonders robust und übersteht problemlos die hohen Beschleunigungskräfte beim Start der Rakete, die den Satellit in den Weltraum bringt.

Ausgesprochen interessant ist auch die Tatsache, dass Formgedächtnislegierungen über eine sehr hohe Elastizität verfügen, die bis zum Zwanzigfachen über derjenigen liegt, die herkömmliche Metalle üblicherweise besitzen. An diesem Phänomen sind die Bindungskräfte der Atome nicht beteiligt, wie man zunächst denken könnte. Die Ursache ist vielmehr in der Phasenumwandlung innerhalb des Werkstoffes zu suchen. Ganz ohne Temperaturänderung kehrt das Material wieder in die Ursprungsform zurück, weshalb man hier auch von einem pseudoelastischen Verhalten spricht. Die Rückverformung kann auf einem deutlich niedrigeren Kraftlevel erfolgen, was die Basis für ein hervorragendes Dämpfungsverhalten ist.

Leider ist es so, dass überraschenderweise eine Art Verschleiß zu verzeichnen ist, der die Lebensdauer von Formgedächtnislegierungen begrenzt. Die Ursache sind Fehler, die sich im Laufe der Zeit beim Umbau des Gefüges von der einen in die andere Form einstellen. Irgendwann sind diese Fehler so zahlreich, dass der Memory-Effekt sich nicht mehr einstellt. Doch sind die Bauteile dennoch noch lange nicht Schrott, denn es gibt eine Art Jungbrunnen, der die Memory-Eigenschaft wieder hervorzaubert. Dies gelingt mit ­einer kurzzeitigen Erhitzung auf rund zehn Grad Celsius über die sogenannte Austenit-Finish-Temperatur.

Talentreich

Formgedächtnismetalle haben aufgrund ihrer Vielseitigkeit und einfachen Handhabung enorm viel Potenzial. Mit ihnen ist es beispielsweise mühelos möglich, den Wirkungsgrad von Strömungsmaschinen zu verbessern, indem gezielte Profilverwindungen der Verdichterschaufeln während des Betriebs vorgenommen werden.

FG-Legierungen mit einer Porosität von 30 bis 90 Prozent können sogar als Implantatwerkstoffe eingesetzt werden. Die Porosität verbessert die Biokompatibilität und erleichtert die Gewebeverträglichkeit. Mithilfe eines aktiven Implantats können zudem Knochen verlängert werden. In diesem Fall erfolgt per Hochfrequenz-Energieeinkopplung eine Erwärmung des Formgedächtniselements. Die dadurch ausgelöste Längenänderung bewirkt anschließend die Knochenverlängerung, die rund einen Millimeter pro Tag beträgt.

Leider ist die Zerspanbarkeit von NiTi-Legierungen sehr schlecht, der Werkzeugverschleiß daher immens. Aus diesem Grund kosten beispielsweise Tieflochbohrungen in NiTi-Kapillarrohre derzeit noch rund 1 000 US-$ pro Meter Bohrtiefe. Auf der anderen Seite wird derzeit mit recht vielversprechenden Ergebnissen untersucht, NiTi als Verschleißschutzschicht einzusetzen. Größere Probleme treten auch beim Kleben von NiTi-Legierungen auf. Die erzielten Festigkeiten sind bei Raumtemperatur so niedrig, dass ein Aufheizen des angeklebten Drahtes zwecks Formänderung zur Ablösung führen würde.

Lösungen vom Experten

Angesichts dieser Probleme im Einsatz von Formgedächtnismetallen macht es Sinn, sich einen erfahrenen Spezialisten an die Seite zu stellen, der aufgrund seiner Erfahrung in der Lage ist, ein auf FG-Legierungen basierendes Projekt erfolgreich umzusetzen. Zu diesen Experten zählt auf jeden Fall die Forschungsgemeinschaft Werkzeuge und Werkstoffe e. V. in Remscheid, kurz FGW.

Hier hat man sich unter anderem der Erforschung von ›Smart Materials‹ verschrieben. Diese Materialien können thermische, elektrische und magnetische Impulse in andere Energieformen – zumeist Stellkräfte und Stellwege – wandeln, wozu nicht zuletzt FG-Legierungen zum Einsatz kommen. Diese Smart Materials können elektromotorische, elektromagnetische, aber auch hydraulische und pneumatische Kleinantriebe ersetzen.

Am Institut wurden bereits elektrisch schaltenden Ventilanwendungen, Entriegelungsmechanismen und Notbremssysteme ersonnen und gebaut. Die Experten machen sich auch die bei der Materialumwandlung parallel ablaufende Änderung des elektrischen Widerstandes von Formgedächtnisaktoren zunutze. Dieser ändert sich um bis zu 30 Prozent im Vergleich zum Anfangswert. Dieser Effekt kann genutzt werden, um den Zustand des Formgedächtnisaktors zu überwachen und eine Position linear zu regeln. Auf diese Weise ist der Bau anspruchsvoller Aktoren möglich, deren Status mühelos dokumentiert werden kann.

Die FGW fokussiert die Anwendungen der Formgedächtnislegierungen in den Bereichen Automotive, Luftfahrt, Raumfahrt, Produktions- und Plagiatschutztechnik. Gleichzeitig werden auch neue Eigenschaften von Formgedächtnislegierungen durch Werkstoffmodifikationen und konstruktive Wirkprinzipentwicklungen vorangetrieben.

Mehr Informationen zur FGW:

Kontakt  Herstellerinfo 
FGW Forschungsgemeinschaft Werkzeuge und Werkstoffe e. V.
Papenberger Str. 49
42859 Remscheid
Tel.: +49(2191) 5921-0
Fax.: +49(2191) 5921-100
E-Mail: info@fgw.de
www.fgw.de

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