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Neuer Ansatz zur Teiletolerierung

Mit Statistik zur Wirtschaftlichkeit

Eine größere Toleranz bedeutet immer eine kostengünstigere Fertigung. Toleranzerweiterungen sind jedoch nur bei einer Abkehr von der üblichen arithmetischen Toleranzsystematik möglich. Bernd Klein zeigt in seinem Buch ›Prozessorientierte Statistische Tolerierung im Maschinen- und Fahrzeugbau‹ den dazu passenden Weg auf.


Der Autopionier Henry Ford war unter anderem deshalb so erfolgreich, weil er eine Werksnormung für Maße, Passungen, Oberflächen und Geometrie einführte, um Fahrzeuge in Serie bauen zu können. Dadurch war er damals der einzige Automobilbauer, der in der Lage war, einen Vierzylinder-Motorblock in einem Stück zu gießen und in Großserie zu montieren.

In der Massenfertigung wurde im Laufe der Zeit jedoch ein entscheidender Wandel im Vergleich zur handwerklichen Fertigung vollzogen: hier gilt heute das Prinzip der ›unvollständigen Austauschbarkeit‹. Dies bedeutet, dass die in einer Serienfertigung stets auftauchenden Abweichungen sich durch Variierbarkeit größtenteils wieder kompensieren lassen.

Während in der handwerklichen Tradition der Grundsatz vorherrscht, Einzelteile herzustellen, die sich gegen jedes andere baugleiche Einzelteil beliebig austauschen lassen, ist dies in der Serientolerierung völlig anders. Hier werden Wahrscheinlichkeitsgesetzmäßigkeiten herangezogen, die dafür sorgen, dass Qualität wie von selbst entsteht. Die Idee dahinter ist, dass in der Montagepraxis so gut wie nie Teile mit extremen Maßen aufeinandertreffen, sondern Teile, die mit bestimmten Verteilungen gefertigt worden sind. In der Folge ergibt sich für das entscheidende Funktionsmaß eine Verteilung, deren Spannweite gut gesteuert werden kann.

Einblicke in diese interessante Sichtweise gibt Bernd Klein in seinem Buch ›Prozessorientierte Statischtische Tolerierung im Maschinen- und Fahrzeugbau‹, das Konstrukteure an die Prinzip- und Anwendungsfelder der prozessorientierten Tolerierung heranführt. Die dort niedergeschriebenen mathematischen Zusammenhänge für die statistische Toleranzsimulation machen zwar deutlich, dass dieses System für den Konstrukteur einen etwas größeren Mehraufwand bedeutet, jedoch zu einer Verbesserung der Qualitätsprävention führen.

Normalerweise strebt die Fertigung danach, alle Ist-Maße auf Toleranzmitte zu fertigen, was jedoch nicht haltbar ist, da etwa Werkzeuge verschleißen und das Werkzeug sowie die Maschine sich beim Zerspanungsvorgang beziehungsweise im Betrieb erwärmen. Letztlich entsteht immer eine Verteilung der Ist-Maße, was bei einer genügend großen Werkstückzahl in Form einer Gaußschen Normalverteilung sichtbar wird.

Bernd Klein versteht es ausgezeichnet, den Leser in das Thema ›Statistik‹ einzuführen, um das Wesen der statistischen Tolerierung zu verstehen. Anschauliche Beispiele sorgen dafür, dass das Buch nicht frustriert beiseitegeschoben wird. So wird zum Beispiel die Ermittlung von Verteilungen anhand eines Beispiels durchgeführt, das Anregung gibt, die Angaben selbst mit einem Tabellenkalkulationsprogramm nachzuvollziehen.

Ausführlich geht der Autor auch auf das Abweichungsfortpflanzungsgesetz ein, mit dem die Schließtoleranz einer Maßkette ermittelt werden kann. In diesem Kontext werden auch die Grundprobleme bei der Maßkettenverknüpfung analysiert. Dazu wurden höchst interessante Montagebeispiele ersonnen, die die Behandlung von Passungsspiel sowie von Form- und Lagetoleranzen aufzeigen. So wird zum Beispiel die Dreiecksverteilung vorgestellt, mit der eine Simulation von Kleinserien möglich ist. In einem anderen Rechenbeispiel werden das Längenmaß und das Spiel getrennt behandelt, während in einem weiteren Übungsbeispiel Form- und Lagetoleranzen als eigenständige Maßgrößen behandelt und berechnet werden. Sehr lobenswert ist, dass die Beispiele durchgerechnet sind und jeweils die fertige Lösung enthalten.

Darüber hinaus erläutert der Autor den Weg zum robusten Toleranzdesign, mit dem sich Toleranzbereiche nach funktionalen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten festlegen lassen. Es gilt, die Zielgröße ›Schließmaß‹ reproduzierbar aus streuenden Einzelgrößen zu bilden. Zudem muss die Schließmaßtoleranz zum Kunden und zur Fertigung hin abgesichert sein. Der Kunde darf Variabilität nicht als Qualitätsmangel erfahren und die Fertigung muss qualitätsfähig erfolgen.

Da das Berechnen von Hand doch sehr zeitaufwendig ist, geht der Autor auch auf die rechnergestützte Toleranzsimulation ein. Moderne CAT-Software koppelt CAD, FEM und Toleranzrechnung, was eine hohe Aussagekraft zur Folge hat. Dadurch wird eine präzise Simulation hochkomplexer dreidimensionaler Toleranzketten möglich. Die Systeme generieren digitale Modelle der Einzelteile, die montiert, gemessen, bei Bedarf ausgetauscht und erneut zusammengebaut werden. Nach einigen hundert Iterationsschleifen werden die Messergebnisse statistisch analysiert und eine Aussage bezüglich der Standardabweichung getroffen.

Da die statistische Tolerierung manchmal nicht völlig exakt mit der Realität überstimmt, hat der Autor mögliche Ursachen im Buch erwähnt. Er hebt beispielsweise hervor, dass in seinen Beispielen angenommen wurde, dass die Teile verschieden sind und in getrennten Fertigungsprozessen hergestellt wurden. Wenn in der Realität jedoch mehrere identische Teile vorkommen, die hintereinander mit derselben Einrichtung gefertigt und verbaut wurden, ist eine statistische Kompensation unwahrscheinlich. In diesem Fall werden sich die Simulationsergebnisse nicht bestätigen.

Es zeigt sich demnach, dass Bernd Klein über einen ausgesprochen großen Erfahrungsschatz bezüglich der statistischen Tolerierung verfügt und dieses reichliche Wissen in sein Buch hat einfließen lassen. Es ist daher für all diejenigen zu empfehlen, die beispielsweise als Konstrukteure Interesse an einer wirtschaftlicheren Herstellung und Montage von Teilen haben.

 

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Titel: Prozessorientierte Statistische Tolerierung
im Maschinen- und Fahrzeugbau
Autor: Bernd Klein
Verlag: Expert-Verlag
ISBN: 978-3-8169-3406-6
Jahr: 2017
Preis: 46,80 Euro
www.expertverlag.de
 

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