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Energiewende: Habecks Trippelschritte

Die Energiewende wird zum teuren Desaster

Die Grünen sind in einer wenig beneidenswerten Lage: Solange sie überwiegend in der Opposition waren, fiel es Ihnen leicht, maßlose Forderungen zu stellen. Beim Ausbau der konventionellen Energie, der Netze sowie bei der Suche nach einem Endlager wurde nach Lust und Laune Obstruktion betrieben. Gleichzeitig feierten sie ihre Sabotage- und Besetzertrupps als Helden des Kampfes um die Erlösung vom Klimawandel-Übel. Doch jetzt sind sie selbst in der Verantwortung für die Energieversorgung einer modernen Industrienation mit 83 Mio. Einwohnern. Und plötzlich werden aus dem angekündigten „Großen Sprung nach vorn“ zaghafte Trippelschrittchen. Fred F. Mueller hat die Details.

Bild 1. (Foto: Gudrun Ponta)

Instant Schrott: Massiver Schaden an einer damals nagelneuen Enercon-WEA in Borchen

Offenbar musste Robert Habeck, neuer Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, schon nach den ersten Wochen im Amt feststellen, dass er erhebliche Mengen Kreide zu fressen und Kröten zu schlucken haben wird. Vermutlich haben ihm einige Beamte in der zweiten Reihe seines Ministeriums – die erste Reihe wurde ja mit seinen Günstlingen besetzt – mit schonenden Worten einige unbequeme Wahrheiten erläutert.

Schließlich ist er angetreten, um die Zahl der Windenergieanlagen, mit denen Deutschlands schöne Natur bereits bisher vollgestellt wurde, von aktuell 31.000 in den nächsten Jahren massiv zu steigern. Das kostet den Stromkunden allerdings viel Geld. Nur wieviel genau?

Zwar hat man sich schon seitens der Regierung Merkel seit Jahren viel Mühe gegeben, die tatsächlichen Zahlen zu verstecken. Doch eine genauere Untersuchung der mit großer Raffinesse auf zahlreiche Einzelbeiträge gesplitteten und mit anderen Positionen vermischten Kosten ergab schon im September 2019, dass die Kosten der „Energiewende“ 1) mittlerweile die Größenordnung von 1.000 Milliarden € (1 Billion) erreicht hatten.

Inzwischen ist die entsprechende Summe weiter angestiegen. Herr Habeck ist demnach auf der Suche nach mehr als einer weiteren Billion für die bis 2030 angestrebte Verdoppelung des Anteils „erneuerbarer“ Energien am Strommix. Ganz abgesehen von den anderen Zumutungen für die Bürger, als da sind: Milliarden für stetig zunehmende CO2-Abgaben, Milliarden für die Subventionierung von E-Autos, Milliarden für deren Ladeinfrastruktur, Billionen für die energetische Zwangssanierung der knapp 20 Millionen deutschen Wohngebäude, Milliarden für den elektrifizierten Nahverkehr, Milliarden für die Errichtung zusätzlicher Stromnetze und Gaskraftwerke, und und und.

Nicht zu vergessen die explodierenden Baukosten, Verteuerung von Lebensmitteln („keine Ramschpreise, © Cem Özdemir), Strom- und Heizkosten, Fliegen oder Benzin („5 Mark für den Liter Benzin“, © Joschka Fischer).

Bild 2

Zusammensetzung des Strompreises für Haushaltskunden mit einem Jahresverbrauch zwischen 2.500 und 5.000 kWh per 1.4. 2018 (Grafik: Monitoringbericht von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt)

Wenn nur der verflixte Verschleiß nicht wäre…

Wie unangenehm für ihn die Lage bereits jetzt schon zu sein scheint, lässt sich daraus ablesen, dass er in einem Interview vom 29.12. als Ausbauziel für die Windkraft lediglich „1.000 bis 1.500 Windräder im Jahr“ [2] angab. Das verwundert etwas, denn bei einem aktuellen Bestand von 31.000 WEA gelangen ja jedes Jahr einige ans Ende ihrer Lebensdauer und müssen ersetzt werden.

Da ihre Auslegungslebensdauer 20 Jahre beträgt, müssen jährlich 1.550 davon ersetzt werden. Die Notwendigkeit einer solchen kontinuierlichen Erneuerung eines Maschinenbestandes ist Allgemeinwissen jedes Wirtschaftswissenschaftlers, sogar jedes Handwerksmeisters oder Fuhrparkmanagers.

Bei Absolventen des Fachs „Philosophie“ wie Habeck fehlt das allerdings im Lehrplan. Die von ihm genannte Zahl von 1.000 bis 1.500 WEA/a würde nicht einmal ausreichen, um den aktuellen Bestand zu halten. Für die anvisierte Bestandsverdoppelung bis 2030 müssten jedes Jahr zusätzlich zum fälligen Ersatz von 1.550 Windenergieanlagen noch weitere 3875 – insgesamt also 5.425 WEA – errichtet werden.

Bild 3

Der Beitrag der solaren Stromerzeugung zur Netzlast von 73.205 MW lag am 21.12.1018 selbst in der Spitze zur Mittagszeit bei geradezu kläglichen 1.414 MW (Grafik und Berechnungen: Autor)

Mit einer Verdoppelung wäre es nicht getan

In Wirklichkeit ist die „Untertreibung“ des Ministers bezüglich der eigentlich erforderlichen Zahl an WEA noch viel größer. Selbst eine Verdoppelung des jetzigen Anteils an „erneuerbarer Energie“ an der Stromerzeugung würde nicht einmal annähernd ausreichen.

Das „Netto-Null“-Ziel der Ampelkoalition umfasst ja noch viel mehr als nur die Stromerzeugung, sondern auch den Ersatz der gesamten fossilen und nuklearen Brenn, Heiz- und Treibstoffe, die Deutschlands Bürger warm und mobil und ihre Industrie am Laufen halten. Dabei ist auch der zusätzliche Speicherbedarf für Flaute- und Dunkelzeiten zu berücksichtigen.

Eine 2019 erstellte Analyse des Verfassers ergab, dass zur Erreichung des früher für 2038 geplanten Zwischenziels allein auf dem Festland rund 139.000 WEA [3] bei Gesamtkosten von vermutlich mindestens 10 Billionen Euro errichtet werden müssten. Dieses Ziel ist jetzt „mal eben“ auf 2030 vorgezogen worden.

Vollends atemberaubend werden die Zahlen, wenn man diese Planungen konsequent bis „netto-Null“ durchkalkuliert. Nach Berechnungen des Ingenieurs Prof. Walter Pelka [4], früherer Präsident der Hamburger HafenCity Universität, wären dafür sogar 350.000 WEA erforderlich, das wäre eine Anlage für jeden Quadratkilometer Deutschlands [5] einschließlich der Innenstädte .

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Bis 2030 soll laut Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien allein schon die im Winter so gut wie nutzlose Fotovoltaik auf 200 GW ausgebaut werden (Bild: Autor)

Ampelkoalition: Angst vor der eigenen Courage?

Die Diskrepanz zwischen den im Koalitionsvertrag großspurig angekündigten „Klimaschutz“-Projekten und der verschämten Ankündigung von – im Vergleich zum Anspruch – geradezu lächerlichen Ausbauzahlen wirft ein Schlaglicht auf die bereits jetzt schwierige Lage der neuen Bunderegierung. Sie hat im Wahlkampf viel mehr abgebissen, als sie wird kauen können. Während unsere grüne Außenministerin Russland durch Schließung von Nordstream 2 ärgern möchte, treiben Russland und China bereits Planungen für eine weitere Erdgaspipeline mit einer Kapazität von 50 Mrd. Kubikmeter pro Jahr voran.

Dank einer jahrelang betriebenen grün-rot-gelb-schwarzen Politik des Boykotts gegen alle Industrien, die fossile Rohstoffe fördern, wird deren Nachschub auf Jahre hinaus knapp bleiben, was zu den jetzt spürbar werdenden Preisexplosionen im Energie- und Rohstoffsektor führt. In der Bevölkerung der betroffenen Länder regt sich deshalb Unmut, wie sich aktuell in Kasachstan zeigt.

Haben Scholz und Habeck bereits jetzt Angst vor dem, was im Volk losbrechen könnte, wenn sie ihm reinen Wein über die tatsächlich geplanten Belastungen einschenken würden? Oder weshalb spricht man lieber von 1.000 bis 1.500 statt von 350.000 WEA, wohl wissend, dass dies den tatsächlichen Planungen in keinster Weise entspricht. Salamitaktik durch Trippelschrittchen halt.

Auf die Bevölkerung und damit auch auf die Ampelregierung kommen, wie es in einem chinesischen Sprichwort heißt, „interessante Zeiten“ zu. Vielleicht muss ja eine künftige Ampelregierung Putin nach dem Beispiel Kasachstans um „Amtshilfe“ gegen das aufmüpfig gewordene Volk bitten. Bitte gut festschnallen, es wird holprig werden…

Hintergrundliteratur:

Limburg, M.; Mueller, F.: Strom ist nicht gleich Strom TvR Medienverlag, Jena, ISBN 978-3-940431-54-7

Quellen:

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