Rare Schätze der Musikgeschichte
Handzuginstrumente für Kenner
Mit Ihren Instrumenten verstehen es Musikanten, dem grauen Alltag Farbe zu verleihen. Insbesondere Harmonikas und Akkordeons sind diesbezüglich sehr beliebt. Mit einer beeindruckenden Sammlung zeigt das Harmonika-Museum im bayerischen Pellndorf die Entwicklung dieser Musikinstrumente auf.
Die Musik ist schon seit Anbeginn ein Begleiter des Menschen, wie beispielsweise eine rund 37 000 Jahre alte, aus einem Geierknochen gefertigte Flöte zeigt, die in einer Wohnhöhle auf der Schwäbischen Alb gefunden wurde. Schon früh entdeckte demnach der Mensch, dass Luft über Hilfsmittel zum Schwingen gebracht werden kann, wodurch Schallwellen beim Wechselwirken mit einem Resonanzraum entstehen, die vom menschlichen Ohr als Töne wahrgenommen werden.
Die Anfänge der Musik
Es ist denkbar, dass Flöten damals nicht nur zur Unterhaltung am Lagerfeuer, sondern auch zum Anlocken von Tieren sowie zur Kommunikation verwendet wurden, wie es bei den Trommeln der Indianer der Fall war. Töne sind in der Lage, die Stimmung von Menschen zu beeinflussen. So wurde beispielsweise das Blasinstrument ›Carnyx‹ – eine hornartig gebogene Trompete aus Bronze – von den Kelten eingesetzt, um Truppen zur Schlacht anzustacheln und den Feind zu demoralisieren.
Wohlklingende Töne haben hingegen einen beruhigenden Effekt auf Menschen, weshalb derartige Musik beispielsweise in Tempeln zu hören war und heute nicht zuletzt in Arztzimmern zugegen ist. Auch die Lebensfreude kann mit entsprechender Musik zum Ausdruck gebracht werden. Dazu eignen sich ganz besonders Harmonikas und Akkordeons, die insbesondere im Alpenraum genutzt werden.
Die Chinesen waren wohl die ersten, die um 3000 vor Christi mit dem ›Cheng‹ ein Instrument bauten, das auf einem frei vibrierenden Stimmzungenprinzip basiert. Dieses Instrument kann als Urvater des Akkordeons betrachtet werden. Als es 1770 nach Russland gebracht wurde, zog es die Aufmerksamkeit europäischer Instrumentenbauer auf sich. 1822 baute der deutsche Instrumentenmacher Christian Friedrich Buschmann ein Akkordeon, das frei vibrierende Stimmzungen sowie eine kleine, tragbare Tastatur besaß.
Fast ausgestorben
Die Steirische Harmonika entwickelte sich aus dem Akkordeon und hat die Musik im Alpenraum geprägt. Kaum zu glauben, dass diese um ein Haar ausgestorben wäre, da ab den 1950er Jahren die Leute in den Wirtshäusern nur mehr den Schlagern der aufkommenden Musikboxen lauschen wollten, nicht jedoch den Klängen der Harmonika-Spieler.
Genialer Einfall
Das änderte sich erst ab dem Jahr 1980 mit der Einführung der sogenannten Griffschrift. Damit war es möglich, problemlos das Spielen auf der Harmonika zu lernen. In der Folge wurden viele Musikstücke geschrieben, die mit flotten Schlagern mithalten konnten. Hubert von Goisern hat mit seinen Musikstücken einen großen Anteil daran, dass heute die Harmonika wieder ein gefragtes Musikinstrument ist. Erinnert sein nur an seine Titel ›Brenna tuats guat‹ und ›Heast as net‹.
Viele Akkordeons und Harmonikas sind von Ihren Besitzern mittlerweile gegen neue, besser klingende Instrumente ersetzt worden oder mit dem Tod des Besitzers auf dem Dachboden gelandet, wo sie nun verstauben. Ganz schlimm, wenn die Nachfahren, bei Aufräumaktionen sich des Instruments entledigen und diese zum Müll geben. Wer solche destruktiven Gedanken hegt, sollte unbedingt mit den Betreibern des Harmonika-Museums in Pellndorf Kontakt aufnehmen, denn in vielen Fällen wird das Instrument dort aufgenommen und für nachfolgende Generationen erhalten. Auch andere Instrumente sind willkommen, wenn Sie einen Raritäten-Status besitzen.
Großartige Sammlung
Und davon gibt es mittlerweile eine ganze Menge! Rund 2000 Musikinstrumente gibt es inzwischen zu besichtigen. Darunter echte Seltenheiten, die einen genaueren Blick mehr als lohnen. In der Sammlung befindet sich beispielsweise der Nachbau einer Stradivari-Geige aus dem Jahr 1700. Man sieht, dass schon damals kopiert wurde, was das Zeug hält. Nicht erst in moderner Zeit werden auf diese Weise zündende Ideen und begnadete Handwerkerhände ersetzt. Zu sehen sind auch rund 300 Mundharmonikas, von denen viele aus weltbekannten Firmen stammen.
Der Schwerpunkt des Museums liegt jedoch auf Akkordeons und Harmonikas, wie die schier endlosen Reihen derartiger Musikinstrumente zeigen. Große Augen bekommen Besucher, wenn sie die zahlreichen Modelle von Hess, Weltmeister oder Meinel & Herold erblicken, die damals in Klingenthal – der Wiege vieler Musikinstrumente – gebaut wurden. Angeblich wurde die dortige Fabrik von einem Verwandten Onkel des späteren Stellvertreters Hitlers betrieben. Die Instrumente sind von bester Qualität und überzeugen auch optisch.
Nicht minder große Augen machen staunende Besucher, wenn sie die Akkordeons von Horch erblicken. Inwieweit sich hinter dem bekannten Namen eines Luxusautoherstellers der Vorkriegszeit die gleiche Familie verbirgt, erfährt man vom Besitzer des Museums, der die Frage bejaht. Die ältesten im Museum zu sehenden Instrumente von Horch stammen aus der Zeit von 1910 bis 1920.
Noch deutlich älter ist ein Instrument von Alfred Arnold, das dieser im Jahre 1890 anfertigte, das wiederum von der ›Diana‹ übertrumpft wird, die vom gleichnamigen Hersteller im Jahre 1865 gebaut wurde. Gleich daneben kann ein Instrument von Paulus erblickt werden, das 1883 das Licht der Musikwelt erblickte. Auf kurzer Distanz kann somit der technische Fortschritt im Bau von Akkordeons und Harmonikas in Augenschein genommen werden.
Meilensteine
Wer seine Blicke entlang der zahlreichen Sehenswürdigkeiten des Museums streifen lässt, wird irgendwann eine Harmonika von Dallape erblicken, die damals wie heute im italienischen Städtchen Pavia produziert werden. Bei diesem Modell wurden die Merkmale von Akkordeon und Harmonika in einem Instrument vereint, was an den Knöpfen anstellen von Tasten auf der rechten Seite sichtbar wird. Die L´Organola von Hohner aus dem Jahr 1920 wiederum fällt durch ihre geschwungene Tastatur auf, die besseres Bespielen des Instruments ermöglichen sollte.
Nicht wenige Hersteller der ausgestellten Instrumente sind dem Laien völlig unbekannt. So kennt man beispielsweise vielleicht noch einen Joseph Lederer, der 1796 in Ulm starb und sich als Komponist einen Namen gemacht hatte. Denjenigen Josef Lederer, der in München Akkordeons baute, kennen heutzutage nur noch Insider, zu denen auch die Betreiber des Harmonika-Museums gehören.
Diese haben zu allen Instrumente Informationen, wer sie baute, was sie auszeichnet und wo diese erworben wurden. Allen Instrumente ist gemeinsam, dass diese überaus reichlich verziert und mit edlen Materialien gebaut wurden. So ist das Gehäuse vielfach aus Holz, das mit Perlmutt verziert wurde. Die Tasten bestehen bei diesen alten Instrumenten oft aus schwarzem Ebenholz sowie echtem Elfenbein, da damals dieses Material nicht verboten war. Für moderne Instrumente kommen alternative Materialien zum Einsatz.Wer gerne einmal das Innenleben der Instrumente kennenlernen möchte, kann auch dies tun, denn die Betreiber des Museums sind selber ausgebildete Musikinstrumentenbauer.
In ihrer Werkstatt, in der sie die bekannten Bayerland-Harmonikas bauen, gewähren sie gerne einen Einblick in die Welt des Baus hochwertiger Akkordeons beziehungsweise Harmonikas. Staunend steht man vor einem geöffneten Musikinstrument und kann erkennen, auf welchen Wegen die zum Spielen nötige Luft erzeugt und über die Stimmzungen geführt wird. Über eine raffinierte Mechanik werden kleine Löcher geöffnet oder verschlossen, um per Tasten den Luftstrom zu lenken. Mit größter Hochachtung wird man Zeuge, wie das Stimmen der Zungen vonstattengeht. Schlagartig wird einem bewusst, welcher große Aufwand zu leisten ist, um auserlesene Musikinstrumente zu produzieren. Dass diese nicht zum Schnäppchenpreis zu haben sind, wird nach diesen Einblicken klar.
Aufklärung
Wer sich immer schon gefragt hat, was der Unterschied zwischen einem Akkordeon und einer Harmonika ist, bekommt von den Experten ebenfalls Auskunft: Die Harmonika ist ein diatonisches Musikinstrument, was bedeutet, dass beim Ziehen sowie Drücken des Blasebalges jeweils zwei unterschiedliche Töne erzeugt werden. Das Akkordeon hingegen wird in der Regel als chromatisches Instrument gebaut. Hier entsteht pro Taste immer nur ein gleicher Ton, egal, ob auf Zug oder Druck gespielt wird.
Wer nun Feuer gefangen hat, auch so ein Instrument spielen zu lernen, wir erfreut zur Kenntnis nehmen, dass die Besitzer des Museums eine eigene Musikschule betreiben, um dort Interessierten das Spielen der Instrumente zu lehren. Für handwerklich Geschickte bieten sie sogar Kurse an, selbst ein einfaches Musikinstrument zu bauen. Hier wird gelehrt, wie eine Drehleier gebaut wird. Dies ist ein Streichinstrument, bei dem die Saiten von einem per Kurbel angetriebenen Rad angestrichen werden, dadurch in Schwingungen kommen und somit einen Ton erzeugen.
Es lohnt daher, das Museum nicht zuletzt mit Kindern aufzusuchen, denn die Begeisterung für Musik kann gar nicht früh genug geweckt werden. Und wer weiß, womöglich ist der Besuch die Geburtsstunden für einen zweiten Andreas Gabalier oder Hubert von Goisern.
Download:
Diesen Artikel finden Sie auch in Ausgabe 3/2020 unseres Fachmagazins ›Welt der Fertigung‹ auf Seite 32. Zum besagten Heft führt ein Klick auf den nachfolgenden Button!
Mehr Informationen zu Bayerland Harmonika:
Bayerland Harmonika | |
Pellndorf 4 | |
93155 Hemau | |
Tel.: 0 94 91 / 95 37-17 | |
Fax: 0 94 91 / 95 37-20 | |
E-Mail: info@bayerland-shop.de | |
www.bayerland-harmonika.de |
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