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Uranabbau in der ehemaligen DDR

Ein sächsischer Bergmann erzählt

In der damaligen DDR wurde ab 1946 im Erzgebirge Uran abgebaut. Nicht alle, doch viele Bergleute arbeiteten damals freiwillig dort, da für diese Arbeit sehr hohe Löhne gezahlt wurden. Einer von Ihnen war Peter Küchler, der Einblick in eine harte Berufswelt gibt.


Sehr geehrter Herr Küchler, 1946 fanden sowjetische Geologen Uranerz in Johanngeorgenstadt. Im gleichen Jahr startete dort der Uranerzabbau unter strengster Geheimhaltung. Wann haben Sie mitbekommen, was dort abgebaut wird?Peter Küchler:


Nun, zu dieser Zeit war ich erst drei Jahre alt. Folglich habe ich davon nichts mitbekommen. Erst als Jugendlicher habe ich Geschichten gehört, die den Uranbergbau zum Thema hatten. Viel hat man damals aber nicht erfahren, da durch die Geheimhaltung rund um den Uranabbau wenig an die Öffentlichkeit kam. Es wurde jedoch immer wieder davon gesprochen, dass dort sehr viele Menschen beschäftigt wurden, die Straftäter oder Kriegsteilnehmer gegen die Sowjetunion waren. Diese wurden gezwungen, Uran in den Bergwerken abzubauen.

Die Führung der DDR behauptete stets, dass es in den Gefängnissen keine politischen Gefangenen gäbe. Wurde hier gelogen?

Küchler:
Und wie! In der DDR gab es offiziell keine politischen Gefangenen, da alle Verurteilten stets als „Kriminelle“ bezeichnet wurden. Mit wohlgewählten Bezeichnungen lassen sich Dinge eben bestens verschleiern. Das ist übrigens heute in der BRD nicht anders. Nehmen Sie nur die Klimadebatte. Hier werden bezahlte Gutachten und Computerprogramme als „Beweis“ angeführt, dass der Mensch Schuld an einer Erderwärmung habe. Wer in der Schule gut aufgepasst hat, der erkennt sofort den Unsinn und die Absicht, die hinter der Kampagne steht. Die hinterhältigen Methoden der DDR sind also zum Schaden der Menschen noch sehr lebendig. Damals wie heute gilt: Wer den Mund aufmacht, der muss mit Problemen rechnen. Das ist damals auch mir passiert.

Die DDR war bekannt dafür, Personen, die sich nicht der Staatsmacht fügten, hart anzufassen. Was ist Ihnen damals widerfahren?

Küchler:
Nun, ich hatte schon immer ein lockeres Mundwerk. Wenn es etwas zu kritisieren gab, konnte ich meine Meinung nicht lange hinter dem Berg halten, sondern musste mich gleich zu Wort melden. Als junger Mann war ich damals nicht angepasst und auch ein wenig rebellisch. Ich habe zudem einige politisch unkorrekte Zitate immer mal wieder zum Besten gegeben, wenn mir danach war. Das hat mir oft viel Ärger und sogar eine Gefängnisstrafe eingebracht.

Wie ist es denn dazu gekommen?

Küchler:
In einem wohlstandsvernichtenden Spitzelstaat entwickelt man eine besondere Form des Protestes gegen „die Oberen“. Ich hatte damals bei jeder Gelegenheit meine Sprüche zum Besten gegeben, die wohl auch in falsche Ohren geraten sind. Ich war damals viel zu sorglos und konnte mir nicht vorstellen, dass man für lächerliche Sprüche gleich ins Gefängnis wandert.

Was waren das für Sprüche, die Sie ins Gefängnis gebracht haben?

Küchler:
Die hat man sicher auch im Westen schon gehört. Beispielsweise »Keine Butter, keine Sahne – auf dem Mond ´ne rote Fahne« oder »Keinen Pfeffer, keinen Kümmel – aber Sputniks am Himmel« oder »Und Nikita Chrustows singt, dass es bald wie Elvis klingt«. Das waren im Grunde völlig harmlose Sprüche, doch für die wurde ich schließlich von 1961 bis 1963 nach § 19 und § 20 inhaftiert. Mir wurde in der Gerichtsverhandlung Hetze und Propaganda vorgeworfen. Mein Verhängnis war ein Denunziant, der mich bei der Stasi anschwärzte.

Sie waren demnach ein sogenannter politischer Gefangener. Haben Sie damit gerechnet, für derart harmlose Sprüche ins Gefängnis zu kommen?

Küchler:
Überhaupt nicht! Ich hatte eben eine große Klappe, die mir das eingebrockt hat. Damals standen an jeder Ecke Denunzianten, die Leute wie mich im Visier hatten. Ich war damals einfach zu sorglos, was meine Sprüche anbelangt. Ich hätte mir nie vorstellen können, für solche Belanglosigkeiten ins Gefängnis zu wandern. Aber die DDR-Regenten hatten einen großen Respekt vor der Macht des Wortes und wollten wohl mit solchen Aktionen an mögliche Nachahmer signalisieren, besser den Mund zu halten. Mir ist es heute noch ein Rätsel, warum die DDR-Oberen eine derartige Strenge an den Tag legten. Die DDR sollte das bessere Deutschland werden und dann werden die Bürger unterdrückt? Ich denke, dass es nicht übertrieben ist, dass die DDR heute noch existieren würde, wenn die Bürger die gleichen Freiheiten gehabt hätten, wie sie in Westdeutschland selbstverständlich waren.

In der DDR wurden Urteile gefällt, die mit Rechtsprechung nichts zu tun haben. Für derartige Unrechturteile wurde man später von der BRD entschädigt. War dies bei Ihnen der Fall?

Küchler:
Gleich nach der Wende habe ich im Jahre 1992 Einsicht in meine Stasi-Akten genommen, um unter anderem in Erfahrung zu bringen, wer damals auf mich angesetzt war. Nach deren Studium habe ich ­einen Antrag auf Haftentschädigung gestellt, dem nicht stattgegeben wurde.

Dann ist Ihnen demnach auch finanziell keine Genugtuung für Ihren Gefängnisaufenthalt widerfahren?

Küchler:
Ja, so ist es leider. Ich war maßlos enttäuscht, dass ich für 34 Monate Gefängnis keine Entschädigung bekommen habe. Selbst von der DDR habe ich nach der Entlassung ein paar hundert DDR-Mark für einen Neustart bekommen. Damals bin ich mir von der BRD richtig veräppelt vorgekommen. Aber ich will mich nicht beschweren. Alleine die Überwindung des Unrechtsystems ist Belohnung genug für mich. Ich hätte nie gedacht, dass ich irgendwann in einem freien Land leben kann. Wer einmal in einem Unrechtstaat lebte, ist dankbar, ab sofort sein Leben angstfrei verbringen zu können. Klar, auch in der BRD ist nicht alles Gold, was glänzt, doch in der Summe ist Deutschland jetzt ein wirklich tolles Land, in dem ich mich sehr wohl fühle.

Geht man nach so einer Enttäuschung auch zur BRD auf Distanz?

Küchler:
Wie gesagt, war ich sehr enttäuscht, dass ich nicht einmal in der Höhe entschädigt wurde, als wie wenn ich 34 Monate meinen Beruf ausgeübt hätte. Mir wurden allerdings nachträglich noch fünf Rentenbeiträge gutgeschrieben. Wenn man sich ansieht, welche Geldmittel Migranten erhalten, muss ich sagen, dass ich als Deutscher eindeutig schlecht behandelt wurde, was meine Entschädigung für die willkürliche Haftstrafe betrifft. Sogar die mir nach DDR-Recht zustehende Arbeitsunfall-Rente wurde von der zuständigen BRD-Stelle um 300 Euro gekürzt. Dies ist auch etwas, was mich erzürnt. Ich habe vor dem Bundesgerichtshof erstritten, dass dies wieder rückgängig gemacht wurde. Natürlich freue ich mich über die Wiedervereinigung und dass wir heute in einem freien Land leben, doch wurde versäumt, geschehenes Unrecht und bestehende Ansprüche mit mehr Wahrhaftigkeit zu handhaben.

Die damalige Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, kurz SED, hat Sie damals ins Gefängnis gebracht. Diese Partei hat sich nach der Wende den neuen Namen ›Die Linke‹ gegeben. Nach der Wende wurde überlegt, diese Partei zu verbieten. Heute jedoch sitzen diese Leute wieder in deutschen Parlamenten. Mit Bodo Ramelow stellt die Partei sogar den Ministerpräsident in Thüringen. Wie denken Sie über diese Entwicklung?

Küchler:
Darüber möchte ich mich nicht äußern. Meine Frau und ich möchten in Ruhe unseren wohlverdienten Ruhestand genießen. Ich möchte nicht Gefahr laufen, durch eine offene Aussage erneut ins Visier der Obrigkeit zu kommen, zumal wir diese Entwicklung mit einem ehrlichen Kommentar sowieso nicht verändern können. Die Bürger Thüringens beziehungsweise Deutschlands müssen selbst darauf kommen, welche Parteien ihnen gut tun und welche nicht.


Ihnen ist in der DDR viel Unrecht widerfahren. Zur Schande der BRD auch hierzulande. Wie ging es nach dem Gefängnisaufenthalt mit Ihnen beruflich weiter?

Küchler:
Vor meiner Haft konnte ich meinen Facharbeiterbrief als Schlosser erwerben. Dieser Beruf war die Grundlage, um nach dem Absitzen der Gefängnisstrafe bei der Besteckfabrik Wellner mein Auskommen zu verdienen. Bald bin ich auf die Möglichkeit aufmerksam geworden, als Bergmann bei der Wismut für DDR-Verhältnisse viel Geld zu machen. 1968 habe ich dann mit 25 Jahren in der Grube Schlema angefangen. Später arbeitete ich dann in der neu erbauten Grube Königstein.

Die SDAG Wismut zählte zwischen 1946 und 1990 zu den großen Produzenten von Uran. Weltweit war das Unternehmen an vierter Stelle. Das dort geförderte und aufbereitete Uran war die Grundlage für die sowjetische Atomindustrie. Wie zu erfahren ist, wurden viele Bergleute damals zum Uranabbau zwangsverpflichtet. Vor allem verurteilte Straftäter waren hier tätig. Sie jedoch waren freiwillig unter Tage?

Küchler:
Ja, aufgrund der finanziellen Besserstellung waren sehr viele Freiwillige dort, die – ebenso wie mich – der hohe Lohn anlockte. Bis 1946 waren sicher viele zwangsverpflichtet, doch danach arbeiteten wohl die meisten Bergleute dort freiwillig.

Über die Arbeit im DDR-Uranbergbau sind viele Gerüchte im Umlauf. Sie haben diese Zeit vor Ort mitgemacht. Welche Arbeitsbedingungen haben Sie dort erwartet?

Küchler:
Die Arbeit im Uranbergbau war unheimlich hart. Unter Tage machten uns vor allem die große körperliche Belastung sowie Lärm zu schaffen. Eine zusätzliche Belastung war der dreischichtige Betrieb, der sehr belastend war. Auf die Arbeitssicherheit wurde wenig Wert gelegt, was zur Folge hatte, dass viele Unfälle passierten, die eigentlich vermeidbar waren.

Wo viele Arbeitsunfälle passieren, könnte man vermuten, dass veraltete Maschinen und Anlagen eingesetzt werden. War dies so?

Küchler:
Nein, wir hatten stets moderne Maschinen im Einsatz. Diese sind sogar aus dem „Westen“ gekommen. Sehr viele Gerätschaften wurden beispielsweise vom schwedischen Konzern Atlas Copco geliefert. So waren Anfang der 1980er Jahre beispielsweise moderne Bohrwagen im Einsatz, die den Abbau des Erzes sehr erleichterten. Teilweise wurden die Förderwagen (Hunte) mit Lagern von FAG versehen, da die DDR-Lager oft Qualitätsmängel hatten. Zur Keilhaue wurde, abgesehen von Nebenbetrieben, so gut wie nicht gegriffen. Die Zahl der Arbeitsunfälle wurde im Laufe der Jahre geringer, da die Leitung die Unfälle auswertete und für Abhilfe sorgte.

Mit welchen Tätigkeiten waren Sie befasst?

Küchler:
Dadurch, dass ich eine Schlosserausbildung hatte, wurde ich zum Gleislegen und als Lokschlosser eingeteilt. Die Arbeit unter Tage war stets eine Herausforderung für jeden Bergmann. Beim Gleislegen waren beispielsweise wegen des Platzmangels öfters besondere Lösungen gefragt, die über Tage nicht nötig waren. Um uns die Arbeit zu erleichtern, wurde gar eine Schienenbiegemaschine entwickelt und gebaut, um diese Tätigkeit auch unter Tage ausführen zu können. Gleise konnten übrigens nur verlegt werden, wenn die restliche Arbeit ruhte. Daher mussten wir am Wochenende zur Stelle sein, wenn Gleise gewechselt werden mussten. Diese Arbeiten waren nur am Wochenende möglich, wenn die anderen Kumpels ihre wohlverdienten Feiertage genossen. Unsere Einsätze wurden aber so kurz wie möglich gehalten.

Welches Urangestein wurde damals abgebaut?

Küchler:
Wir mir bekannt war, wurde das Gestein als Pechblende bezeichnet. Es hatte eine dunkelblaue Farbe und wurde von den Sowjets gleich fortgeschafft. Auffallend war, dass dieses Gestein sehr warm war. Im Schnitt betrug die Temperatur 30 bis 32 Grad Celsius. Die Wärme resultierte wohl aus dem radioaktiven Zerfall des Materials. Wer dieses Material je in der Hand gehabt hat, bekommt eine Ahnung davon, welche Energie darin steckt.

Demnach waren Sie der radioaktiven Strahlung ausgesetzt?

Küchler:
Ja, Strahlung haben alle abbekommen, die im Berg waren. Mir ist allerdings nicht bekannt, wie groß damals die Belastung war. Wir Bergarbeiter hatten keinerlei Messgeräte bei uns, um die Strahlenbelastung zu prüfen. Es gab lediglich über Tage Messstellen, die recht primitiv ausgestattet waren. Diese bestanden aus einem Verschlag mit einer großen Glasscheibe, hinter der sich je eine Frau befand, die mit ­einem Geigerzähler die mit Erz beladenen Loren – von uns Bergleuten auch als ›Hunt‹ bezeichnet – vermessen haben. Diese Frauen hatten strikte Anweisung, über ihre Messungen niemandem Auskunft zu erteilen. Dadurch haben wir nie erfahren, wie groß die Strahlenbelastung war, der wir ausgesetzt waren.

Dass Sie bezüglich der Strahlenbelastung im Unklaren gelassen wurden, ist typisch für ein Regime, in dem der Mensch nichts zählt. War die erhaltene Entlohnung wenigstens einigermaßen der gefährlichen Arbeit angemessen?

Küchler:
Ja, ich hatte für die damalige Zeit den Verdienst von 1 050 DDR-Mark Netto. Ab dem dritten Beschäftigungsjahr gabe es sogar noch eine Sonderzuwendung von 20 Prozent. Außerdem hatte ich 36 Tage Urlaub im Jahr. Der Verdienst betrug in Schlema mit dem sogenannten „Erzgeld“ bis zu 4 000 DDR-Mark, in Königstein rund 2 000 DDR-Mark. Bergleute konnten demnach ihren Familien sehr viel mehr bieten, als Arbeiter in anderen Bereichen.

Nun ist der Bergbau mit vielen gesundheitlichen Risiken verbunden. Kennen Sie Arbeitskollegen, die wegen ihrer belastenden Arbeit erkrankten oder gar verstarben?

Küchler:
O Ja! Mir sind viele Fälle bekannt. Bei den mir bekannten Fällen war von ­einer Silikose, also einer Quarzstaublunge die Rede, die zum Tod des Bergmanns führte. Ich kann aber nicht ausschließen, dass eine Krebserkrankung die wahre Ursache im einen oder anderen Fall war. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Wahrheit von den DDR-Ärzten oft nicht zu Papier gebracht wurde, um den Schein zu wahren. Damals wie heute gilt: »Wes Brot ich ess, des Lied ich sing«.

Wie viele Jahre haben Sie als Bergmann im Uranabbau gearbeitet?

Küchler:
Ich habe leider nur 21 Jahre geschafft. Eine längere Dienstzeit verhinderte ein Arbeitsunfall, den ich in der Grubenwerkstatt bei der Reparatur einer Grubenlok hatte. Damals bin ich beim Aufstehen wegen einer Schlammpfütze weggerutscht und so unglücklich gestürzt, dass sich ein bleibender Meniskusschaden einstellte. Danach konnte ich leider nicht mehr unter Tage arbeiten und habe über Tage Tätigkeiten verrichtet. Mich ärgert es sehr, dass nach der Wende, im Jahre 1996, die unfallbedingte Lohnausgleichszahlung eingestellt wurde, weshalb mir jeden Monat rund 200 Euro fehlen.

Sie sind offensichtlich von Strahlenschäden verschont worden. Haben Sie dazu eine Erklärung?

Küchler:
Das ist korrekt. ­Einen Strahlenschaden habe ich nach meiner Kenntnis nicht abbekommen. Mir schmeckt auch nach wie vor eine gute Zigarre. Warum ich zum Kreis derjenigen gehöre, denen die Strahlung nichts ausmachte, ist wohl meiner guten Allgemeinverfassung geschuldet. Strahlenschäden treten dann auf, wenn das Reparatursystem des Körpers an seine Grenzen kommt. Dies war bei mir offensichtlich nicht der Fall. Ich bin der lebende Beweis, dass die Hysterie rund um Strahlung oft maßlos überzogen ist. Der menschliche Körper ist an Strahlung angepasst, die uns übrigens an jedem Ort der Erde heimsucht. Wenn sich diese in einem bestimmten Rahmen bewegt, so kann er damit umgehen. Strahlung muss nicht zwangläufig Krebs hervorrufen, wenn das Reparatursystem des Körpers auf Zack ist.

Wird heute mit strahlenden Objekten hantiert, so ist bestimmte Schutzkleidung vorgeschrieben. War Ihre damalige Arbeitskleidung ebenso speziell gegen Strahlung ausgelegt oder war es normale Bergmannskleidung?

Küchler:
Wir bekamen damals ganz normale Arbeitskleidung gestellt, die bei Bedarf immer getauscht werden konnte. Alle hatten einen normalen Schlosseranzug zur Verfügung. Zudem wurden uns Unterwäsche und Socken zugewiesen. Im Uranbergbau wird es wohl nie spezielle Schutzkleidung gegen die Strahlung geben, da diese Kleidung schlicht unbenutzbar wäre, da die Gegebenheiten unter Tage völlig anders sind, als im Labor oder im Kernkraftwerk. Aber vielleicht hat ja mal ein Hersteller einen Einfall, Schutz vor Strahlen, Schlamm und Hitze in Einklang zu bringen. Ich würde es jedenfalls begrüßen, wenn die Kumpels im weltweiten Uranbergbau endlich vernünftige Bergmannkleidung bekämen.


Wie stand es um die Arbeitsschuhe, waren wenigstens diese für den Abbau von Uran besonders ausgeführt?

Küchler:
Auch die Schuhe waren nicht speziell für den Uranabbau hergestellt worden. Wir hatten damals normale Gummistiefel ohne Metallkappe im Zehenbereich zur Verfügung. Übrigens haben wir damals im Uranbergbau nicht nur sehr gut verdient, sondern konnten uns auch über ein hervorragendes Mittagessen freuen, für das jeweils nur 90 Pfennig zu bezahlen war. Milch gab es zudem umsonst.

Was ist den eigentlich mit ihrer Bergmannskleidung nach der Arbeit passiert? Wurde diese regelmäßig gereinigt? Und was passierte mit kontaminierten Schmutzteilchen?

Küchler:
Unsere Arbeitskleidung wurde regelmäßig gereinigt. Wo dies geschah und wie dies gemacht wurde, kann ich nicht sagen. Die Reinigung war jedoch zwingend nötig, da die Kleidung von uns völlig durchnässt nach oben gebracht wurde. Für die nächste Schicht hatten wir wieder trockene Kleidung. Was mit dem bei der Reinigung anhaftenden, kontaminierten Staubteilchen passierte, entzieht sich meiner Kenntnis. Ob Filter diese zurückhielten oder nicht, dazu kann ich nichts sagen.

Bei Schichtende wurde geduscht. Ist dieses Duschwasser korrekt entsorgt worden?

Küchler:
Auch zu dieser Frage kann ich leider keine befriedigende Antwort geben. Es ist mir nicht bekannt, ob unser Duschwasser gereinigt wurde und wohin es floss. Ich denke jedoch, dass keine besonderern Vorkehrungen getroffen wurden, das Wasser zu dekontaminieren beziehungsweise in ein spezielles Auffangbecken zu leiten. Vermutlich wurde es einfach in die Abwasserkanalisation gegeben.

Was geschah mit dem geförderten Uranerz?

Küchler:
Das abgebaute Uran ging, soweit mir bekannt ist, zu 100 Prozent in die Sowjetunion. Ich habe per Zufall bei einer Urlaubsfahrt mit dem Zug sogar selbst einmal einen Waggon mit dem Wismut-Aue-Text entdeckt, der in Richtung Sowjetunion unterwegs war. Dort wurde es weiterverarbeitet, um Kernkraftwerke zu betreiben und Atombomben zu bauen. Was mir sauer aufstößt ist, dass zu DDR-Zeiten das nutzlose Gestein aus dem Uranbergbau als Schotter und Untergrund im Straßenbau verwendet wurde. Diese Altlasten werden heute durch Risse und Schlaglöcher im Straßenbelag freigelegt. Zwar hat das Umweltministerium Messungen vorgenommen, doch waren diese angeblich so gering, dass keine akute Gefahr zu befürchten ist. Das kann man nun glauben oder nicht.

1991 wurde mit der UDSSR vereinbart, den Abbau von Uran in der DDR einzustellen. Wissen Sie, was seither mit den Bergwerken geschah?

Küchler:
In den Bergwerken ist noch immer viel Uran enthalten, ein Abbau demnach lohnend. Doch wurden die Anlagen zurückgebaut. Dafür wurden bisher rund sechs Milliarden Euro ausgegeben. Noch bis in das Jahr 2025 wird die aufwendige Sanierung beziehungsweise Stilllegung dauern. Die Bergwerke wurden mit allen darin befindlichen Maschinen geflutet. Wie mir bekannt ist, wird das Sickerwasser über viele Jahrhunderte aufzubereiten sein. Umweltaktivisten bemängeln, dass nicht optimal saniert wurde. So wurde beispielsweise bemängelt, dass Niederschläge durch die Dämme hindurchsickern und giftige Stoffe in den Grundwasserpfad gelangen können.

Wie sehen Sie die Abkehr von der Atomkraft in Deutschland?

Küchler:
Atomkraft ist nicht von Haus aus gefährlich. Gefährlich wird sie durch den Menschen, der Atombomben baut, Kraftwerke fahrlässig betreibt und nicht in der Lage ist, für eine sichere Entsorgung der strahlenden Rückstände zu sorgen. Atomkraft kann durchaus ein Segen sein, wenn sie vernünftig gehandhabt wird. Dies sehe ich jedoch immer weniger. Der Mensch ist ein zu großer Risikofaktor. Um Atomtechnik verantwortungsbewusst zu nutzen, bedarf es vieler positiver Faktoren, die sich zunehmend verflüchtigen. Ich möchte dies nicht weiter ausführen, da sich sonst ganze Nationen und Religionsgemeinschaften negativ angesprochen fühlen könnten. Daher sage ich nur kurz: Es wäre für mich wünschenswert, wenn die Atomkraft wieder Geschichte wird.

Sehr geehrter Herr Küchler, vielen Dank für das Interview!

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Diesen Artikel finden Sie auch in Heft 3/2019 auf Seite 16. Zum besagten Heft führt ein Klick auf den nachfolgenden Button!

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