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Die Energiewende in der Kritik

Ein Wolkenschloss wird entlarvt

Die Energiewende soll dafür sorgen, dass durch eine Reduzierung des Gases CO2 künftig das Klima geschützt wird. Dipl.-Ing. (FH) Lothar Starke, Leiter des Arbeitskreises ›Innovative Technologien‹ des Unternehmerverbands Brandenburg-Berlin e.V., gibt Einblicke, ob dieses Ziel erreichbar ist.

Sehr geehrter Herr Starke, unsere Marktwirtschaft funktionierte bisher so, dass Unternehmen auf eine Nachfrage reagierten und den Bedarf deckten. In der Stromwirtschaft soll es künftig so sein, dass per Planwirtschaft bestimmt wird, was der Verbraucher an Strom nutzen darf. Grundlage dafür sind „intelligente“ Stromzähler, die bei zu viel Stromnachfrage bis hin zur kompletten Stromsperre regelnd eingreifen. Wie sehen Sie diese Pläne, die dem Handeln der damaligen DDR-Regierungen ähneln, in der Mangel verwaltet wurde?

Lothar Starke:
Mit dem Argument der Durchsetzung des Wettbewerbs wurden die ursprünglichen Strukturen einer komplexen Verantwortung der Energieversorger zerschlagen und in selbstständige Unternehmen für die Erzeugung, Übertragung und die Lieferung an die Kunden aufgeteilt. Darüber hinaus wurde der Wettbewerb durch die einseitige Subventionierung der erneuerbaren Energien Windkraft, Solarenergie und Biogas zu Lasten der konventionellen Energien praktisch aufgehoben. Die Konsequenz besteht darin, dass die Erzeuger konventionellen Stroms hohe Verluste haben und die Investitionen zum Beispiel für moderne GuD-Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung nicht erfolgen. Statt Versorgungssicherheit haben wir heute Unternehmen, die in Teilbereichen innerhalb der Stromlieferung alles tun, den eigenen Erlös zu steigern. Diese grundsätzlich falsche Energiepolitik führt dazu, dass nach dem Abschalten der Kohlekraftwerke in Deutschland die Voraussetzungen zur Erzeugung des benötigten Stroms auch bei einer Flaute und fehlender Sonneneinstrahlung nicht mehr gegeben sind und die Versorgung nur noch durch Importe gewährleistet wird. Dieser Zustand kann auch durch eine intelligente Steuerung des Stromverbrauchs nicht behoben werden, er führt zwangsläufig zur Abschaltung von Verbrauchern oder zum Black-Out, was vor allem für die Wirtschaft katastrophale Auswirkungen hat.

Bis zum Jahr 2022 ist der Ausstieg aus der Kernenergie geplant, zudem sollen eine ganze Reihe von Kohlekraftwerken abgeschaltet werden. Was kommt da auf die Verbraucher zu?

Starke:
Das Problem besteht darin, dass die Energiewende das Ziel hat, bis 2050 fossile Energieträger weitestgehend zu ersetzen. Eine Umstellung der Wärmeerzeugung auf Strom erfordert die Installation neuer Ausrüstungen verbunden mit enormen Investitionskosten. Hinzu kommen die für private Verbraucher enorm hohen Stromkosten nach der Umstellung. In der Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen ist aus technologischen Gründen oft eine Umstellung auf Strom nicht möglich, sodass die Kraft-Wärme-Kopplung mit fossilen Energieträgern weiter bestehen bleibt. Dies wird bei der Aussage »2050 alles aus erneuerbaren Energien« völlig ignoriert.

Wasserstoff wird als Heilsbringer der Energiewende beworben. Wo sehen Sie Chancen und Risiken dieses Weges?

Starke:
Das Konzept besteht darin, Wasserstoff durch überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Der Einsatz von Wasserstoff soll zum Beispiel im Verkehr erfolgen, um fossile Energieträger durch Brennstoffzellen oder synthetische Kraftstoffe zu ersetzen. Der Prozess, um aus überschüssigem Strom aus erneuerbaren Quellen Gas oder Strom zu erzeugen, ist mit Verlusten verbunden. So kommen von dem eingesetzten Strom beim Verbraucher als Gas oder Strom nur 20 bis 30 Prozent an. Das Umwelt-Bundesamt stellt zur Integration von PtG und PtL-Anlagen in den Integrationsprozess fest: »Zurzeit ist keine wirtschaftliche Nutzung von PtG und PtL-Anlagen in Deutschland möglich. Gründe dafür sind die hohen Investitions- und Betriebskosten bedingt durch den derzeitigen Entwicklungsstand und hohen Umwandlungskosten sowie die geltenden Rahmenbedingungen (zum Beispiel Steuern und Umlagen).«

Die nationale Wasserstoffstrategie der Deutschen Bundesregierung sieht vor, bis 2030 Wasserstoff-Erzeugungsanlagen mit bis zu fünf Gigawatt Gesamtleistung zu errichten. Damit könnten 14 Terawattstunden Wasserstoff produziert werden, was rund 14 Prozent des benötigten Bedarfs wäre. Der restliche fehlende Wasserstoff soll durch Importe gedeckt werden. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Starke:
Die Bundesregierung geht bis 2030 von einem Bedarf an Wasserstoff von 90 bis 110 TWh pro Jahr aus. Es sollen rund 80 Prozent des Bedarfs an Wasserstoff durch Importe gedeckt werden. Da dieses Volumen auch im Ausland nicht aus erneuerbaren Energien erzeugt werden kann, wird eine Produktion mit anderen Technologien und entsprechendem CO2- Ausstoß akzeptiert. Das erfolgt fast ausschließlich aus fossiler Primärenergie, überwiegend durch Erdgasreforming. Diese Strategie ist weder hinsichtlich der Versorgungssicherheit noch der Verantwortung für den Klimaschutz akzeptabel.

Wenn in Süddeutschland durch das Abschalten des letzten Kernkraftwerks eine Stromlücke entsteht, soll nach den Plänen der Energiewendebefürworter der Bedarf durch neue Hochleistungsnetze, die Strom von Nord nach Süd transportieren, gedeckt werden. Ist dies realistisch?

Starke:
Nach dem Abschalten der Kernkraftwerke wird es im Süden Deutschlands ab 2025 einen Strom-Fehlbedarf von rund 46 TWh jährlich geben. Für den Transport des im Norden vorhandenen Überschusses an Strom ist es seit 20 Jahren nicht gelungen, Stromtrassen zu errichten, das wird wohl auch bis 2025 nicht erfolgen.

Dem Bürger wurde damals versprochen, dass sich die Strompreise durch die Energiewende umgerechnet um nicht mehr als den Preis ­einer Kugel Eis erhöhen werden. Diese Kugel hat sich mittlerweile zu einem Eisberg aufgebläht, unter dem so mancher ärmere Haushalt zerdrückt wird, da diese den mittlerweile stark gestiegenen Strompreis nicht mehr bezahlen können. Ist die Energiewende daher eine Quelle für soziale Spannungen beziehungsweise werden dadurch Parteien am rechten und linken Rand gestärkt?

Starke:
Im Jahre 2000 betrug der Strompreis 13,94 Cent/KWh mit einem Anteil von 38 Prozent für Steuern, Abgaben und Umlagen. 2019 betrug der Preis bereits 30,43 Cent/KWh mit einem Anteil von 53 Prozent für Steuern, Abgaben und Umlagen. Für gewerbliche Abnehmer hat sich der Preis von 6,05 Cent/KWh im Jahr 2000 auf 18,44 Cent/KWh im Jahr 2019 verdreifacht. Bei einer weiteren Erhöhung des Stromverbrauchs durch die Umstellung von fossilen Energieträgern auf Strom steigen die Belastungen für private Haushalte über die Möglichkeiten bei normalen Einkommen. Das führt zwangsläufig zu sozialen Spannungen. Aber auch die Wirtschaft kommt dabei an die Grenzen der Wettbewerbsfähigkeit, zumal zum hohen Strompreis noch die CO2-Abgabe für den technologisch verbleibenden Einsatz fossiler Energieträger hinzukommt.

Bis 2050 sollen 83 Prozent der 41,8 Millionen Wohnungen in Deutschland mit Wärmepumpen beheizt werden. Ist dieses Ziel angesichts der stark steigenden Strompreise beziehungsweise der unsicheren Stromversorgung durch „Zappelstrom“ realistisch?

Starke:
Für die Wohnungen besteht das Ziel, bis 2050 einen Umfang von 83 Prozent durch Wärmepumpen zu beheizen. Dafür wird eine Strommenge von 331 TWh pro Jahr benötigt, das entspricht 64 Prozent des gesamten Stromverbrauchs des Jahres 2019. Das Problem sind hohe Investitionskosten für die Umstellung der Heizsysteme, hohe Stromkosten und fehlende Kapazitäten für die Realisierung. Eine sichere Stromversorgung ist in Deutschland nach dem Abschalten der Kohlekraftwerke nicht gewährleistet, da die Investitionen in erforderliche Ergänzungskraftwerke zur Wind- und Solarenergie nicht erfolgen.

Viele Nichtwohngebäude, also Fabrikgebäude oder Gewerbebauten, müssen ebenfalls zwangsweise hinsichtlich ihrer Beheizung umgestellt werden, was hohe Investitionen erfordert. Davon sind nicht zuletzt die Kommunen betroffen, die ebenfalls entsprechende Gebäude umrüsten müssten. Sind die dazu nötigen Mittel überhaupt aufzubringen?

Starke:
Viele dieser Gebäude werden durch zentrale Heizsysteme aus Heizwerken und Heizkraftwerken über Kraft-Wärme-Kopplung mit Wärme versorgt. Nach einer Studie des Fraunhofer ISE wird für 2050 folgende Prognose der Wärmeversorgung gestellt: Kraft-Wärme-Kopplung 17 Prozent (meist Erdgas), Heizkessel 16 Prozent (überwiegend Erdgas), Wärmepumpen 39 Prozent, Solarthermie 20 Prozent, Heizstäbe 6 Prozent und Tiefen – Geothermie 1,4 Prozent. Die Probleme bestehen darin, dass rund 33 Prozent weiterhin auf Erdgas als Energieträger angewiesen ist. Die Umstellung der übrigen Anlagen erfordert hohe Investitionen, die vor allem die kommunalen Träger nicht finanzieren können, zumal für etwa einem Drittel der Gebäude gleichzeitig eine komplexe Sanierung erforderlich wird. Durch die Schulden aus der Corona-Pandemie werden die kommunalen Träger über die nächsten Jahre nur beschränkte Investitionen tätigen können.

Werden wir daher eine gewaltige Steuererhöhungswelle sehen, die mit einer Firmenflucht sowie einer stark steigenden Arbeitslosigkeit einhergeht?

Starke:
Nach Berechnungen des Forschungszentrums Jülich – Institut für Energie- und Klimaforschung – betragen die Kosten für den Transformationsprozess bis 2050 rund zwei Billionen Euro. Die hohen Schulden aus den Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie belasten die finanziellen Möglichkeiten in Deutschland in den nächsten Jahren. Da die Finanzierung der Energiewende durch neue Schulden zunächst nicht möglich sein wird, ist die Erhöhung der Steuern sehr wahrscheinlich. In der Folge der veränderten Bedingungen in den globalen Wirtschaftsbeziehungen wird eine Firmenflucht vor allem durch hohe Kosten in Deutschland verursacht werden.

Die zunehmende Elektromobilität sowie das Konzept der Wärmepumpen wird zu einem stark steigenden Strombedarf führen. Gibt es eine realistische Chance, diesen Bedarf unter Aufgabe der Kern- und Kohlekraftwerke zu decken?

Starke:
Alle Konzepte, die Kernenergie und die fossilen Energieträger allein durch erneuerbare Energien zu ersetzen, sind für Deutschland reine Utopie. Erneuerbare Energien aus Wind- und Solaranlagen können nach den physikalischen Gesetzen keine stabile Stromversorgung realisieren. Strom ist mit dem heutigen Stand der Technik in größeren Umfang nicht direkt speicherbar. Deshalb muss Strom in dem Augenblick erzeugt werden, in dem er verbraucht wird. Das bedeutet eine unmittelbare Steuerung von Erzeugung und Verbrauch. Die Voraussetzung dafür ist die Bereitstellung einer stabilen Grundkapazität und die Verfügbarkeit einer Regelreserve. Die heutigen Konzepte gehen von einer Verdopplung der Kapazität bei Biomasse, Windkraft und Solarenergie aus, ohne den Ersatz der ausfallenden Kapazität der Kernenergie und der fossilen Kraftwerke zur Grundlastsicherung und als Regelreserve zu sichern. Diese Energie durch Importe abzudecken ist für die deutsche Volkswirtschaft aus strategischen und praktischen Gründen völlig unrealistisch.

Der Verbrennungsmotor könnte weiter bestehen, wenn synthetische, klimaneutrale Treibstoffe in großer Menge produziert würden. Sehen Sie hier eine Chance, einen harten Umbruch unserer Automobilindustrie zu verhindern?

Starke: Die Energiewende im Verkehr ist vorrangig bestimmt durch die Reduzierung von CO2 im Rahmen der Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels, aber auch von der Notwendigkeit, den Güterverkehr über die Straße zu reduzieren. Laut Klimaschutzplan soll der CO2-Ausstoß bis 2030 um 40 bis 42 Prozent gesenkt werden. Die Emissionsquellen im Verkehr sind: PKW mit 60,6 Prozent, Nutzfahrzeuge inclusive Busse mit 35,65 Prozent, Nationaler Luftverkehr mit 1,25 Prozent, Küsten- und Binnenschifffahrt mit 1,05 Prozent, Schienenverkehr mit 0,6 Prozent, übrige Emissionen mit 0,95 Prozent. Das Konzept der Energiewende sieht beim PKW die Elektromobilität vor. Bei rund 46 Millionen PKW, einer Laufleistung von etwa 726 Milliarden Km pro Jahr und einem Verbrauch von circa 34 KWh je 100 Km entsteht ein Strombedarf von 32 GW zusätzlicher Kraftwerkskapazität. Das Konzept für die anderen Fahrzeuge sieht vor, dass diese über Brennstoffzellen mit Wasserstoff betrieben werden oder fossile Treibstoffe durch synthetische Treibstoffe ersetzt werden. Das Problem dieser Konzepte besteht darin, dass der gesamte Zuwachs beim Strombedarf von der Erzeugung in Deutschland nach dem Abschalten der fossilen Erzeuger nicht mehr gedeckt ist und Wasserstoff sowie synthetische Kraftstoffe gegenwärtig nicht wirtschaftlich hergestellt werden können. Deshalb sehe ich die Notwendigkeit, die Entwicklung abgasarmer Verbrennungsmotoren weiter zu forcieren.

Wer sich Solarzellen auf das Dach stellt, bekommt massive Zuschüsse. Ebenso der Käufer eines Elektroautos. Produkte, die sich für den Käufer lohnen, bräuchten in einer funktionierenden Marktwirtschaft keine derartige Förderung. Sollte der Staat sich nicht eher zurückhalten, um Marktkräfte wirken zu lassen, die womöglich bessere Lösungen zur Beseitigung von Umwelt- und Energieversorgungsproblemen bereithalten?

Starke: Subventionen hebeln den Wettbewerb aus und sind deshalb untersagt. Mit der Einspeisevergütung wird diese Richtlinie der EU raffiniert unterlaufen, da die Subvention auf den Strompreis aufgeschlagen wird und Subventionen nur für direkte Zahlungen aus Steuergeldern gelten. Alle Subventionen bei erneuerbaren Energien verhindern die notwendigen Investitionen zur sicheren Stromversorgung und sind deshalb einzustellen.

Derzeit setzen sich 52,5 Prozent des Strompreises aus Steuern, Abgaben und Umlagen zusammen. Alleine die EEG-Umlage betrug 2019 insgesamt 24,2 Milliarden Euro. Und die Stromkosten werden weiter steigen. Auf welches Szenario müssen sich die Bürger einstellen?

Starke:
Einerseits auf höhere Strompreise und andererseits auf einen höheren Stromverbrauch, wenn sie zum Heizen und zum Autofahren auf Strom umstellen.

Bis 2050 wird sich einer Prognose des Umweltbundesamtes zufolge der Stromverbrauch in Deutschland reduzieren, wohingegen das Forschungszentrum Jülich von einer Verdoppelung ausgeht. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Starke:
Der Stromverbrauch in Deutschland betrug 2019 rund 515,56 TWh. Das Umweltbundesamt prognostiziert für 2050 einen Verbrauch von 506,00 TWh. Das Forschungszentrum Jülich hingegen einen Verbrauch von 1008,00 TWh. Der maximale Stromverbrauch lag 2019 bei 83 GW. Wenn für Wärmepumpen 64 Prozent des Stromverbrauchs von 2019 hinzukommen und für die Elektromobilität nochmals 32 GW zusätzliche Kraftwerkskapazität benötigt wird, ist eine Verdopplung des Stromverbrauchs realistisch. Das erfordert ­einen komplexen Ausbau der Strom-Infrastruktur. Allein die Übertragungsleitungen sind heute mit 70 Prozent belastet, der Rest ist die für den Betrieb erforderliche Reserve.

Windkraftanalgen auf dem Meer sind in der salzhaltigen Luft beziehungsweise dem Salzwasser hohen Belastungen hinsichtlich der Korrosion ausgesetzt und müssen daher besonders geschützt werden. Diese Farben werden jedoch im Laufe der Zeit abgewaschen und gelangen ins Wasser sowie von dort in die Nahrungskette. Welche Gefahren sind hier gegeben?

Starke:
Die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf dem Meer hinsichtlich der Belastung der Umwelt sind bisher besonders hinsichtlich der Langzeitwirkung nicht erforscht. Sie haben einerseits gegenüber Anlagen auf dem Land eine höhere Laufleistung und belasten die Gesundheit der Anwohner nicht. Dem gegenüber stehen höhere Investitions- und Wartungskosten. Deshalb ist es kritisch, dass sie sich ohne Subventionen am Markt behaupten können.

Zur Steigerung der Stromproduktion soll die Anbaufläche für Mais von 1,7 auf 3,5 Millionen Hektar erweitert werden, was auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion geht. Werden wir daher zusätzlich zu steigenden Strompreisen massiv steigende Nahrungsmittelpreise sehen?

Starke:
Die massive Ausweitung von Biogasanlagen ist ökologisch grundsätzlich abzulehnen. Der Ausstoß von CO2 beträgt bei BHKW mit Biogas 254 Gramm CO2 pro KWh, dagegen bei BHKW mit Erdgas nur 200 Gramm CO2 pro KWh! Biogasanlagen werden meist in Verbindung mit Massentierhaltung betrieben, daraus resultiert die zu hohe Nitratbelastung der Böden. Mais wird in Monokulturen angebaut, was mit dem Einsatz von Pestiziden verbunden ist. Diese Fakten sind unvertretbar mit der erforderlichen Veränderung der Struktur der Landwirtschaft, Stichwort: ›Agrarwende‹. Ohne Subventionen sind Biogasanlagen nicht wirtschaftlich zu betreiben. Hinzu kommt, dass durch den Klimawandel mit Dürreperioden die landwirtschaftlichen Erträge sinken, daher die Erzeugung von Nahrungsmitteln absoluten Vorrang hat. Anderenfalls werden nicht nur die Preise für Lebensmittel steigen, sondern die Basis für die ­eigene Versorgung schwinden.

Werden wir künftig vermehrt Nahrungsmittel importieren müssen?

Starke:
Ohne Zweifel besteht die Gefahr von Versorgungsengpässen, wenn die Struktur der Landwirtschaft nicht dem Klimawandel und den ökologischen Erfordernissen angepasst wird. Massentierhaltung und Monokulturen gehören nicht zur zukünftigen Landwirtschaft.

Der in großer Zahl stattfindende, ständige Zuzug von Menschen aus anderen Ländern wird natürlich auch den Stromverbrauch tangieren. Wie hoch ist Ihrer Meinung nach der Stromverbrauch von beispielsweise zwei Millionen zusätzlichen Menschen?

Starke:
2018 betrug der Verbrauch 7,2 MWh pro Kopf, was bei zwei Millionen Menschen einen Verbrauch von 14,4 TWh bedeutet. Gemessen an einem Gesamtverbrauch von 599 TWh ist das ein zusätzlicher Verbrauch von 2,4 Prozent.

Wie Sie schon erwähnten, muss Strom sofort zum Zeitpunkt seiner Entstehung verbraucht werden. Wird mehr produziert als benötigt, muss dieser zwischengespeichert werden. Sehen Sie hier Lösungen, die sich auf absehbare Zeit wirtschaftlich umsetzen lassen?

Starke:
Wie ich schon sagte, ist eine direkte Speicherung von Strom in großem Umfang derzeit technisch noch nicht möglich. Für den Zeitraum bis 2050 ist nur der Weg über die Speicherung von Erdgas realistisch, wofür die notwendige Kapazität an unterirdischen Speichern in Deutschland vorhanden ist. Der Strom kann dann bedarfsgerecht über Gasturbinenkraftwerke erzeugt werden, da diese über die erforderliche kurze Startzeit bis zur Netzschaltung verfügen. Das bedeutet, dass Erdgas die erforderliche Ergänzung zu erneuerbaren Energien ist und nach dem gegenwärtigen Stand der Technik die einzige Möglichkeit für eine stabile Stromversorgung bietet. Dafür sind natürlich die notwendigen Investitionen bis zum Abschalten der fossilen Kraftwerke erforderlich.

Für die sichere Energieversorgung eines Landes, in dem immer mehr Menschen leben, sind Wind- und Solarkraftwerke ungeeignet. Sind Kernkraftwerke der 4. Generation die Lösung?

Starke:
Zu den Forschungsvorhaben der 4. Generation gehören auch Hochtemperaturreaktoren, sogenannte Kugelhaufenreaktoren. Für diese Kraftwerke ist in Jülich die Grundlagenforschung erfolgt und in Hamm-Uentrop steht ein Prototyp- Kernkraftwerk mit einer Leistung von 308 MW, welches nach zweijährigen Betrieb 1990 stillgelegt wurde. Ich habe diese Anlage selbst 1988 besichtigt und war von den Möglichkeiten dieser Entwicklung beeindruckt. Ich stelle fest: Ja, die Kernkraftwerke der 4. Generation sind eine reale Lösung als Beitrag für die Energieerzeugung ohne CO2- Emission. Es ist unverantwortlich, das in Deutschland geschaffene Know- how in den Müll zu werfen.

Wie ist Ihre Meinung zur Kernfusion. Ist dies eine Technik, die in absehbarer Zeit unsere Energieprobleme lösen wird?

Starke: Fusionsreaktoren sind ein Ziel für die Zukunft nach 2050. Seit 2019 erfolgt der Bau des ›International Thermonuklear Experimental Reactor‹, kurz Iter, vom Typ ›Tokamak‹ in Frankreich. Die Baukosten betragen 20 Milliarden Euro. 2035 will man damit erstmalig einen Netto-Energiegewinn erzielen. Für 2055 ist die Realisierung von Demoanlagen mit 500 MW vorgesehen. In Deutschland erfolgte 2015 die Inbetriebnahme der Forschungsanlage ›Wendelstein 7 – X‹ in Greifswald. Dieser kann von vorn herein im Dauerbetrieb arbeiten. Die Ergebnisse der Forschung sollen dann ab 2055 in die Demoanlagen einfließen.

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Diesen Artikel finden Sie auch in Ausgabe 4/2021 auf Seite 88. Zum besagten Heft führt ein Klick auf den nachfolgenden Button!

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