Eine gesunde Führungskultur ist Chefsache!
Die Menschlichkeit im Mittelpunkt
Warum es Chefsache ist, eine gesunde, loyale Führungs- und Unternehmenskultur zu schaffen und zu erhalten, erläutert Miriam Engel, Gründerin und Geschäftsführin von loyalworks.
Bei meinen früheren Arbeitgebern und heute bei einigen Auftraggebern habe ich sie erlebt und beobachtet: Vorgesetzte, die ständig nur hetzen, kritisieren, sich nicht für ihre Angestellten interessieren – und bei der kleinsten Einschränkung kündigen. Das ist das Gegenteil von Loyalität. Ich habe das – auf beiden Seiten des Tisches – leider viel zu oft erlebt.
Selbst in der Rolle als Führungskraft trat ich mancherorts auf der Stelle und konnte mich nicht weiterentwickeln. Mir wurden Grenzen gesetzt, die ich weder sah noch verstand. In vielen Unternehmen werden die Mitarbeiter noch heute zu wenig als Menschen, sondern als Zahnrad zwischen betrieblichen Funktionsbereichen betrachtet; als Mittel zum Zweck, Gewinn zu erwirtschaften.
Ich habe erlebt, wie Firmen vor allem diejenigen Kandidaten eingestellt oder befördert hatten, die möglichst wenig Aufwand für den Arbeitgeber bedeuteten und dennoch neue, innovative und renditestarke Ergebnisse hervorbrachten. Branchenfremden Bewerbern und Quereinsteigern wurde nichts zugetraut, deren Einarbeitung als zu aufwändig betrachtet und das vielversprechende Potenzial arglos unterschätzt. Die Unternehmen hatten kein Interesse daran, dass ihre Angestellten über sich selbst hinauswachsen. Sie hatten kein Vertrauen in ihre Leute (und noch weniger in neue Bewerber).
Ein ehemaliger Chef von mir hat mich über Jahre hinweg immer wieder unverhältnismäßig beschimpft, mich für meine Ansichten, Vorschläge und Eigeninitiative beleidigt und vor anderen gedemütigt. Ich weiß, wie es ist, mit Bauchschmerzen zur Arbeit und Tränen in den Augen nach Hause zu kommen.
In diesem Unternehmen gab es keine Loyalität. Deshalb traf mich das Ende meines nächsten Jobs umso härter. Als rechte Hand des Chefs hätte dies der Job meines Lebens sein können. Doch nach einer Krankenzeit, die statt der drei erwarteten Wochen zwei Monate andauerte, hatte mein Chef nur wenige Worte für mich übrig: Wenn ich nicht sicherstellen könne, meine volle Leistung zu erbringen und mit weiteren Ausfällen zu rechnen sei, könne er meinen Arbeitsplatz nicht für mich freihalten.
Diese Aussage traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich sah keinen anderen Ausweg als den Ausstieg. Dennoch fing ich an zu grübeln: Ich fühlte mich nicht mehr als Mensch gesehen. Menschliche Bedürfnisse derart zu übergehen, kam in meiner Lebenswelt nicht vor. Waren wir nicht alle Menschen – unabhängig von Rang und Position – und sollten uns auch so begegnen? Bis heute habe ich viele weitere, ähnliche Lebensgeschichten kennengelernt und weiß um die Gefahr, wie schnell sich zu physischer Schwäche auch psychische Schwäche gesellt.
Welche Alternativen hätte es gegeben? Das hängt sehr von der Haltung der Führungskraft ab. Wenn diese nicht bereits eine loyale Grundeinstellung mitbringt, ist es aus Angestelltensicht schwer, ihr so weit zu vertrauen, dass man sie mit vermeintlichen Schwachpunkten oder Fehlverhalten konfrontieren kann. Wird an dieser Stelle abgewartet, treten nicht selten in Folge von inneren Kündigungen echte Kündigungen ein, bis die Führung realisiert, dass etwas falsch läuft – und dass der Grund für die Abwanderung nicht an den Jobs liegt, sondern an der Unzufriedenheit mit dem Vorgesetzten.
Es ist Chefsache, eine gesunde, loyale Führungs- und Unternehmenskultur zu schaffen und zu erhalten. Diese kommt nicht von allein und verschwindet wieder, wenn nicht kontinuierlich an ihr gearbeitet wird. Um ein nachhaltig tragfähiges Miteinander im Unternehmen zu erreichen, ist es erforderlich, Führung neu zu denken. Indem möglichst viele Mitarbeiter in Entscheidungen einbezogen werden, aktiv ihre Mitwirkung und ihren Einfluss erleben dürfen, steigen ihr Leistungswille und die Lernbereitschaft, um ihr volles Potenzial zu entfalten und auszuschöpfen. Der Preis dafür lässt sich nicht in Währung messen: Wertschätzung, echte Kooperation, echtes Miteinander. Auf dieser Basis entstehen Loyalität, Eigeninitiative und Einsatz. Ganz zu schweigen davon, dass loyale Mitarbeiter der ausschlaggebende Wettbewerbsvorteil der Zukunft sind.
Die aktuellen Rahmenbedingungen in Folge der Covid-19-Pandemie erschweren die Führungsaufgaben all derjenigen, die vorwiegend über Kontrollmechanismen ihre Unternehmensziele verfolgen. Wo bisher Benchmarks regierten, braucht es heute umso mehr Menschlichkeit. Wo der Fokus auf Prozessoptimierung lag, müssen Emotionen eingefangen, gefiltert und umsorgt werden. Jetzt ist der beste Zeitpunkt, nicht zu schauen, woher das alles kam, sondern Gemeinsamkeiten zu finden, die Gemeinschaft zu stärken und im Miteinander den Fokus auf das unternehmerische Überleben zu setzen.
Ausgangspunkt ist – wie immer – die Führung. Auch wenn dies kaum eine Leitungskraft vor Antritt dieser neuen Funktion ernst nimmt: Die zeitlich und emotional Raum einnehmendste Aufgabe einer Führungskraft ist die Beziehungspflege und die Bestärkung der Teammitglieder in ihren eigenen Fähigkeiten.
Mehr noch: Führende sind Stimmungsbarometer. Die Kultur und das Klima im Unternehmen sind direkt abhängig von den gelebten Werten und Umgangsformen der Führung. Offen über die Lage und die eigenen Gefühle zu sprechen, weckt Sympathie. Nichts ist also so wertvoll wie der bewusste Umgang mit den eigenen Gefühlen. Erst hierdurch werden Authentizität, Souveränität und Charisma erzeugt, indem Menschen wahrlich erreicht und berührt werden. Tatsächlich beobachte ich vielerorts Fortschritte, Meilensteine hinsichtlich Loyalität in Führung und Zusammenarbeit, die sich jetzt besonders zeigen.
Heute wird offensichtlich, dass loyale Führung nicht als Luxus abgetan werden kann. Führungsmenschen und Personalverantwortliche spüren es gerade bis ins Mark: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser!
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Diesen Gastkommentar finden Sie auch in Ausgabe 3/2021 auf Seite 93. Zum besagten Heft führt ein Klick auf den nachfolgenden Button!
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