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Schuldners Freud ist Gläubigers Leid

Pfändungsfreigrenze wurde zum 1. Juli 2021 erhöht

Seit dem 1.Juli 2019 galt ein pfändungsfreier Grundbetrag für den Schuldner von 1.178,59 EUR. Dieser Betrag wurde nun zum 1. Juli 2021 auf 1.252,64 EUR monatlich angehoben. Das entspricht einer Erhöhung um 6,28 Prozent. Die Inflationsrate dagegen lag im Mai 2021 lt. Statistischem Bundesamt „nur“ bei 2,5 Prozent in Relation zum Vorjahr.

Nach § 850c Abs. 2a Zivilprozessordnung (ZPO) alter Fassung konnten sich die unpfändbaren Beträge gemäß § 850c Abs. 1 und 2 ZPO alle zwei Jahre jeweils zum 1. Juli ändern. Seit diesem Jahr wird bei der Dynamisierung der Pfändungsfreigrenzen von einem zweijährlichen auf einen jährlichen Rhythmus umgestellt. Ob eine Änderung der Pfändungsfreigrenzen dann auch tatsächlich stattfindet, ist – wie bisher – wiederum an das zum 1.1. des jeweiligen Jahres errechnete wirtschaftliche Existenzminimum geknüpft. Das heißt: Die Entwicklung des am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltenden steuerlichen Grundfreibetrags (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes [EStG]) ist entscheidend – und dieser wurde eben im relevanten Zeitraum (1. Januar 2019 bis zum 1. Januar 2021) um 6,28 Prozent von 9.168 EUR (2019) auf 9.744 EUR (2021) angehoben.

Kostenausgleich — Eine ziemlich einseitige „Angelegenheit“

Die im Anhang der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung vom 10. Mai 2021 veröffentlichten Tabellen zeigen, was dem Schuldner bei einer etwaigen Lohnpfändung bleibt bzw. auf welchen Betrag er zugreifen kann. Dieser Betrag wiederum ist abhängig vom Einkommen des Schuldners und der Anzahl unterhaltsberechtigter Personen. „Mit dem zukünftig jährlichen Dynamisierungsrhythmus der Pfändungsfreigrenzen werden Schuldnern nun noch regelmäßiger die steigenden Lebenshaltungskosten ‚automatisch ausgeglichen‘“, so Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH. Er fährt fort: „Den Gläubiger trifft die Inflationsrate auf diese Weise sogar doppelt. Nicht nur, dass alles ja auch für ihn teurer wird, er wird auch noch länger auf sein Geld warten müssen, da dem Schuldner ein höherer unpfändbarer Betrag zugestanden wird.“

Die zwei „Gesichter“ einer Tabelle

„Die neue Tabelle wird so manchem Schuldner wieder die Augen glänzen lassen; Gläubigern hingegen treibt sie wohl eher die Tränen in die Augen. Mit dem Mehrbehalt für Schuldner wird im Umkehrschluss für Gläubiger der Zeitraum länger, über den sie auf die Realisierung ihrer Forderungen zu warten gezwungen werden – wenn die Pfändung nicht sogar gänzlich ergebnislos bleibt. Lag der pfändbare Nettolohn eines Schuldners ohne unterhaltsberechtigte Person monatlich z. B. bei 1.625 EUR, so erhielt der Gläubiger bisher davon 301,99 EUR. Ab dem 01. Juli 2021 erhält er dann nur noch 257,15 EUR und damit 44,84 EUR monatlich bzw. 538,08 EUR jährlich weniger. Wenn eine offene Forderung von z. B. mehreren tausend Euro mit über 500 EUR jährlich weniger beglichen wird, ist der Ärger und Frust der Gläubiger vorprogrammiert und nur allzu verständlich.“

Bereinigter Nettolohn — Ausgangswert für Tabelle

„Der so genannte bereinigte Nettolohn, der mit dem steuerlichen Nettolohn nicht zwingend identisch ist, dient als Ausgangswert für die Pfändungstabelle. Es ist gesetzlich geregelt, was dem Arbeitseinkommen hinzugerechnet oder was davon abgezogen wird. Einen erheblichen Einfluss auf die Pfändungsfreigrenze hat dabei die Anzahl der Personen, gegenüber denen der Schuldner eine gesetzliche Unterhaltspflicht hat. (Ob er dieser Verpflichtung auch tatsächlich nachkommt, sei einmal dahingestellt.) Bisher lag die Pfändungsfreigrenze für einen verheirateten Schuldner bei 1.629,99 EUR. Diese Freigrenze steigt jetzt auf 1.729,99 EUR.“

Pfändung passiert nicht einfach mal eben so

„Dass jedem ein Mindestmaß an Mitteln zugestanden werden muss, damit der Lebensunterhalt bestritten werden kann, ist nicht in Frage zu stellen, will man nicht andere Probleme heraufbeschwören. Es ist aber deutlich hervorzuheben, dass die Pfändung am Ende einer ganzen Reihe von Maßnahmen, von Versuchen steht, offene Forderungen zu realisieren und nicht am Anfang! Und bis es dann zu einer Pfändung kommt, hat der Gläubiger Erhebliches an Zeit und Nerven, realen Kosten und Personaleinsatz investieren müssen. Auch das sollte nicht unerwähnt bleiben.“

Offene Forderungen mit weitreichenden Auswirkungen

„Leider ist die Beobachtung, dass Gläubiger nicht selten selbst in finanzielle ‚Schieflage‘ geraten, wenn Kunden die erhaltene Lieferung/Leistung nicht bezahlen, Teil unseres Arbeitsalltages. Die Überschuldung von Privatpersonen zählt in Deutschland nach wie vor zu den Hauptgründen, warum Rechnungen nicht bezahlt werden. Laut einer Studie aus August 2019 von Statista (Online-Portal für Statistik, das Daten von Markt- und Meinungsforschungsinstitutionen sowie aus Wirtschaft und amtlicher Statistik in vielen Sprachen zugänglich macht) geben 88 Prozent der Befragten als Grund für das Nichtbezahlen offener Rechnungen die private Überschuldung an. Überschuldung bedeutet, dass mit den regelmäßig zur Verfügung stehenden Mitteln die monatlich anfallenden Lebenshaltungskosten sowie bestehende Verbindlichkeiten über einen gewissen Zeitraum oder auf Dauer nicht mehr beglichen werden können.“

Fatale Einstellung zu Geld und/oder fehlende Kompetenz

„So manch einer würde mit Geld bestimmt anders umgehen, hätte er es denn gelernt. Leider ist zu beobachten, dass mehr und mehr grundlegendste Kenntnisse über finanzielle Zusammenhänge fehlen und Finanzkompetenz verloren geht. Was aber Kinder von den Eltern nicht gelernt haben, können sie später nicht anwenden. Und eben weil hierzulande, wie es umgangssprachlich heißt, nicht über Geld gesprochen wird, wäre es dringend geboten, eine ‚Finanzerziehung‘ in Kindergarten und Schule einfließen zu lassen. Ein Wissen, was wirklich Auswirkungen für das Leben haben kann! Leider trägt aber auch die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich dazu bei, dass Begehrlichkeiten nicht nur geweckt, sondern auch befriedigt werden (wollen), auch wenn man es sich absolut nicht leisten kann. Auch ‚Schulden machen‘ mit purem Vorsatz ist nicht selten.“

Schulden ziehen Konsequenzen nach sich, aber für die ‚Falschen‘

„Es ist hinlänglich bekannt, dass viele Haushalte überschuldet sind, doch geändert hat sich wenig. Und wenn Maßnahmen ergriffen werden und Gesetze geändert werden, tragen nicht selten ausgerechnet die Gläubiger die Konsequenzen. Pfändungen können allzu oft trotz vorhandener Titel wegen stark überlasteter Gerichtsvollzieher über lange Zeit nicht durchgesetzt werden — eine Entwicklung, die schon seit Jahren bekannt ist —, die Wohlverhaltensperiode wurde verkürzt — Schuldner können sich in einem wesentlich kürzeren Zeitraum als früher (fast) aller Schulden entledigen —, das Nachsehen haben die Gläubiger dabei, deren Forderungen dadurch zwangsläufig nur zu einem geringeren Teil befriedigt werden können, wenn überhaupt. Die Rechtsunsicherheit bei der Vorsatzanfechtung ist nach wie vor nicht vollständig behoben … so setzt sich eins ums andere fort. Die Anpassung der Pfändungsfreigrenze ist nur ein weiterer Mosaikstein, der den Bedürfnissen der Schuldner Rechnung trägt, aber nicht denen der Gläubiger. Die Zeche zahlen die Falschen.“

Vorbilder dienen der Orientierung

„Die Sicherung der Existenz ist wichtig. Sowohl die Existenz des Schuldners als aber auch die des Gläubigers sollte dabei Berücksichtigung finden! Eine deutliche Unterstützung derer, die rechtmäßige Forderungen aus erbrachten Lieferungen und Leistungen haben, die ihrer Arbeit nachgehen, ihr Unternehmen mit Vertrauens- und Leistungsvorschuss an Geschäftspartner führen, ist von Seiten der Politik und der Gesetzgebung dringend angezeigt. Wenn schon Kinder das Verhalten der Eltern nachahmen, so kommt der Administrative – und gerade auch dem Zahlungsverhalten der Öffentlichen Hand – gesamtgesellschaftlich eine enorme Vorbildfunktion zu. Es wird allerhöchste Zeit, dass die Öffentliche Hand an ihrem eigenen Zahlungsverhalten etwas ändert. Lt. einer Umfrage des Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) aus 2017 ist die Rechnungstreue öffentlicher Auftraggeber (mit Vorbildfunktion) schlecht. Daran scheint sich über die Jahre (auch schon vor Corona!) wenig geändert zu haben, glaubt man den Berichten vieler Gewerbebetriebe und Verbände u. a. aus dem Baugewerbe oder Anfragen dazu aus dem politischen Lager selbst. Wer etwas bestellt und bekommen hat, hat dafür zu zahlen. Und Geld, das man nicht hat, kann man nicht ausgeben. Punkt. So einfach ist das. Eine Zuwiderhandlung sollte Konsequenzen nach sich ziehen. Konsequenzen aber für die Schuldenverursacher und nicht anders herum!“

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