Welt der Fertigung
Sie sind hier: Startseite » Archiv » Jahrgang 2020 » Ausgabe Juli 2020

Präzision für die Roboterindustrie

Perfekte Zykloidenverzahnungen

Mit der neu entwickelten VIPER 500 MFM geht Klingelnberg neue Wege in der Bearbeitung von Zykloidenverzahnungen. Das Entwicklungsziel war hierbei von vornherein klar: Neben einer hohen Produktivität stand die Präzision im Vordergrund. Um das Paaren in der Produktion entfallen lassen zu können, gilt es, die sehr engen Toleranzen für Zykloidenverzahnungen sicher einzuhalten.

In Robotergelenken werden Getriebe mit einer hohen Übersetzung, einer sehr hohen Steifigkeit und mit minimalem Spiel benötigt. Gleichzeitig müssen diese Getriebe klein und leicht sein. Für diese speziellen Anforderungen hat sich die Zykloidenverzahnung als besonders geeignet erwiesen und in weiten Teilen der Industrie durchgesetzt. Im Vergleich zu evolventischen Verzahnungen sind Zykloiden allerdings empfindlich gegenüber Achsabstandsänderungen. Darin besteht ein wesentlicher technischer Nachteil dieser Verzahnungsart.

Um Zykloidengetriebe mit guten Laufeigenschaften und mit einer hohen Tragfähigkeit zu erhalten, ist bei der Herstellung der Verzahnungen sowie der Grundkörper eine besondere Präzision erforderlich. Es gilt, den Fußkreis der Verzahnung in sehr engen Toleranzen von wenigen Mikrometern zu halten. Zusätzlich müssen die Referenzflächen extrem genau zur Verzahnung laufen. Prinzipbedingt handelt es sich bei den Referenzflächen entweder um eine Zentralbohrung oder um drei sternförmig im Grundkörper angeordnete Referenzbohrungen, die sogenannten ›cam bores‹.

Traumhafte Genauigkeit

Da sich die hohen Genauigkeiten mit standardmäßig am Markt erhältlichen Werkzeugmaschinen und typischen Bearbeitungsfolgen nicht einhalten lassen, werden die Bauteile vermessen und entsprechend ihrer Toleranzlage miteinander gepaart. Das bedeutet hohe Zusatzkosten und einen enormen logistischen Aufwand in Produktion und Montage. Klingelnberg hat mit der VIPER 500 MFM erstmals eine Maschine entwickelt, mit der die Einhaltung dieser engen Toleranzen für viele Anwendungen möglich ist. So lassen sich erhebliche Kostensenkungen realisieren.

Um das zeitaufwendige Paaren in der Produktion zu vermeiden, gilt es, die sehr engen Toleranzen für Zykloidenverzahnungen sicher einzuhalten. Aus diesem Grund hat Klingelnberg mit der neu entwickelten VIPER 500 MFM neue Wege in der Bearbeitung von Zykloidenverzahnungen beschritten.

Im ersten Schritt wurden dazu die beiden genauigkeitsbestimmenden Arbeitsgänge Bohrungs- und Verzahnungsschleifen nach dem Prinzip ›Done-in-One‹ auf einer Maschine zusammengefasst. Denn die Bohrungen stellen immer die Referenz für die Verzahnung dar. Der Fußkreis der Verzahnung muss dabei innerhalb eines Toleranzbandes von bis zu ± 2 µm zur Zentralbohrung oder zum Kreis durch die Mittelpunkte der ›cam bores‹ koaxial laufen.

Die Herausforderung: Allein die beim Umspannen auftretenden Fehler liegen bei größter Sorgfalt schon in dieser Größenordnung. Daher wurden beide Prozesse – das Bohrungs- und das Verzahnungsschleifen – konsequent auf einer Maschine integriert. In Verbindung mit der hohen Präzision der Klingelnberg VIPER-Maschinenbaureihe lassen sich so die notwendigen Funktionstoleranzen einhalten.

Damit das Paaren in der Produktion endgültig der Vergangenheit angehört, ist zusätzlich noch die Einhaltung des Absolut-Maßes des Fußkreisdurchmessers erforderlich. Hierbei muss der Fußkreisdurchmesser der Zykloidenverzahnung für viele Anwendungen innerhalb eines Fensters von ± 2 µm gehalten werden. Eine solch hohe Präzision stellt jede Maschine vor große Herausforderungen. Allein die geometrischen Veränderungen der Maschine bei einem Wechsel der Umgebungstemperatur von ein Grad Celsius sind deutlich größer.

Hinzu kommen noch geometrische Veränderungen durch die lokale Wärmeeinbringung der Direktantriebe.
Um dieser Herausforderung Herr zu werden, hat Klingelnberg das System ›Adaptive Grinding‹ entwickelt.

Dabei wird durch eine geschickte Abfolge von Schleif- und Messoperationen der Fußkreisdurchmesser der Zykloiden relativ zu einem sehr genau bekannten Referenzdurchmesser hergestellt. Nach dem Schruppschleifen wird der Fußkreis der Zykloidenverzahnung mit der maschineneigenen Messeinrichtung vermessen. Anschließend wird auf der Spannvorrichtung der genau bekannte Referenzdurchmesser angetastet. Auf Basis dieser beiden Messungen lässt sich eine hochgenaue Korrektur der Maschinenachsen berechnen, mit der es möglich ist, auch den Fußkreisdurchmesser innerhalb des kritischen Toleranzfensters von ± 2 µm zu halten.

Voraussetzungen hierfür sind natürlich auch Umgebungsbedingungen in der Produktionshalle, die eine Bearbeitung mit höchster Präzision zulassen. Dazu gehört eine konstante Umgebungstemperatur genauso wie ein schwingungsentkoppeltes Aufstellfundament für die Maschine.

Paaren war gestern

Mit den beschriebenen Prinzipien ›Done-in-One‹ und ›Adaptive Grinding‹ in Verbindung mit einer hochpräzisen Bearbeitungsmaschine der Klingelnberg VIPER-Baureihe ist es nun möglich, die kritischen Toleranzen für eine Zykloidenverzahnung prozesssicher einzuhalten. Damit sind alle Voraussetzungen geschaffen, das logistisch aufwendige und damit sehr kostenintensive Paaren der Bauteile entfallen zu lassen.

In der industriellen Praxis zeigt sich häufig, dass mehr Präzision gleichzeitig auch weniger Produktivität bedeutet. Die VIPER 500 MFM beweist, dass es auch anders geht: Produktivität und Präzision gehen hier Hand in Hand. Die VIPER-Maschinenbaureihe ist dabei am Markt für ihre hohe Flexibilität bekannt. Sie ermöglicht produktive Profilschleifprozesse mit hohem bezogenem Zeitspanvolumen Q’W für Klein- und Mittelserien durch hohe Beschleunigungen und Achsgeschwindigkeiten. Genauso lassen sich auch hochproduktive Wälzschleifprozesse für die Großserienfertigung realisieren. Damit steht für jede Anwendung das richtige Verfahren zur Verfügung.

Die Integration des Bohrungsschleifens in dieselbe Maschine bringt weitere entscheidende Produktivitätsvorteile: Zum einen entfällt das zeitaufwendige Umspannen auf eine andere Maschine, was die Nebenzeiten erheblich reduziert. Zum anderen erhöht ein innovatives Spannkonzept für Zykloidenscheiben die Effizienz: Durch die Mehrfachspannung von bis zu vier Zykloiden in einem Stapel lässt sich der produktive Hauptzeitanteil auf der Maschine weiter steigern. Die Messtechnik von Klingelnberg ist auf die schnelle Messung von rotationssymmetrischen Bauteilen optimiert. Bei der Verzahnungsmessung – hierzu gehören auch solche mit Zykloidengeometrie – muss ein Messgerät sowohl für die Formmessung als auch für die 3D- Koordinatenmessung geeignet sein.

Die Zykloidenmessung ist dafür ein gutes Beispiel: Zur Sicherstellung der Funktionalität ist bei der Messung der Zahnform eine hochgenaue Erfassung der Formabweichungen erforderlich. Demgegenüber setzt die Messung des Fußkreisdurchmessers die präzise Erfassung eines Absolut-Maßes voraus. Üblicherweise ist das eine Aufgabe für die 3D-Messung.

Nanometergenau

Die Präzisionsmesszentren der P-Baureihe von Klingelnberg vereinen beide Fähigkeiten in einem Gerät. Der hochgenaue Messfühler ›3D NANOSCAN‹ kann die Messung im Bereich von wenigen Nanometern auflösen und bietet damit optimale Voraussetzungen für beide Messaufgaben. Hinzu kommt der hochgenaue Rundtisch der Maschine, der mit einer radialen Drehführungsabweichung unter 0,2 µm die erforderliche Genauigkeit für die Formmessung mitbringt.

Damit sind neben der hochgenauen und funktionsgerechten Verzahnungsmessung auch die dimensionale Messung und die Formmessung aller weiteren Geometrieelemente möglich. Diese Kombination ermöglicht bei Zykloidenverzahnungen die vollständige Vermessung der ›cam bores‹, die so gleichzeitig auch als Referenz für die Verzahnungsmessung herangezogen werden können.

Im Ergebnis lässt sich so ein sehr schneller Scanprozess der Zykloidengeometrie realisieren. Das Ergebnis sind sowohl Absolut-Maße als auch eine hochgenaue Erfassung der Zahnform. Im Vergleich zu einem Koordinatenmessgerät kann damit die Messzeit in vielen Fällen halbiert und die Messgenauigkeit zusätzlich gesteigert werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit bei der Verzahnungsmessung ist die Messung direkt in der Produktion.

Alle Messmaschinen der P-Baureihe sind voll produktionstauglich. Dazu trägt die Temperaturkompensation genauso bei wie das robuste Maschinenbett aus Gusswerkstoffen in Verbindung mit hochpräzisen Wälzlagern und Wälzführungen. Die permanente Erfassung der Umgebungs- und Maschinentemperatur in Verbindung mit der Werkstücktemperatur ermöglicht eine hohe Präzision bei allen Messungen in einem Temperaturbereich von 15 bis 35 Grad Celsius. Damit kann die Messmaschine direkt neben den Bearbeitungsmaschinen platziert werden, womit lange Wege zu einem Messraum vollständig entfallen.

Vollautomatisch zur Kontur

In Verbindung mit einer Schleifmaschine der VIPER-Baureihe von Klingelnberg lässt sich die Produktivität des gesamten Produktionssystems noch weiter steigern: Werden Bearbeitungs- und Messmaschine über ein Netzwerk miteinander verbunden, können die gemessenen Abweichungen direkt an die VIPER 500 MFM übertragen werden. Diese berechnet anschließend die Korrekturen vollautomatisch, ohne dass ein Bediener manuell eingreifen muss. Damit ist sichergestellt, dass immer die richtigen Korrekturen an der Maschine ankommen. Dafür greifen Messmaschine und Bearbeitungsmaschine auf denselben Datensatz zur Geometriedefinition zurück.

Speziell für die Formkorrektur der Zykloidenverzahnung werden von beiden Maschinen dieselben Stützpunkte eingesetzt. Die Bearbeitungsmaschine erhält zu jedem Punkt auf der Geometrie die exakte Abweichung in Betrag und Richtung. Damit entfällt eine mathematische Aufbereitung und Approximation der Geometrie – und maximale Präzision ist sichergestellt.

Das Ergebnis all dieser Bemühungen ist ein selbstoptimierendes System, das die Bauteilqualität sicherstellt – ohne Zeitverlust und ohne, dass dafür besondere Kenntnisse seitens des Maschinenbedieners notwendig wären.

Welchen konkreten Nutzen diese Industrie-4.0-Lösung den Anwendern bringt, zeigt sich besonders deutlich, wenn man auf eine weltweit vernetzte Produktion schaut: Ein solches System macht es einfach, an jedem Standort mit gleichen Prozessen auch exakt dieselbe Qualität zu produzieren.

Selbstoptimierend

Qualifizierte Mitarbeiter sind und bleiben das Kapital eines jeden produzierenden Unternehmens. Gleichzeitig stellen immer mehr Unternehmen fest, dass es zunehmend schwierig ist, geeignete Fachkräfte zu finden. Ziel eines robusten Produktionssystems muss es daher sein, dass die Qualität nicht unter der begrenzten Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter leidet.

Mit der VIPER 500 MFM, den Präzisionsmesszentren und dem Closed Loop hat Klingelnberg ein System entwickelt, mit dem die Fertigung hochgenauer Zykloidenverzahnungen sehr einfach ist. Für die Bearbeitung von Zykloidenverzahnungen geht Klingelnberg noch einen Schritt weiter. In der Zykloidenschleifzelle werden die Bearbeitungs- und die Messmaschine durch eine Automation verbunden.

Dank des Einsatzes der GearEngine ist die Zykloidenschleifzelle dabei „fit“ für Industrie-4.0-Prozesse. Zusammen mit dem Closed Loop entsteht ein autarkes, selbstoptimierendes Produktionssystem, mit dem es gelingt, die Bearbeitungs- und Messkapazität der Maschinen optimal auszunutzen.

Der Bediener interagiert nur noch mit der Rüststation, auf der softwaregestützt die Spannvorrichtungen mit den Bauteilen bestückt werden. Dabei wird er durch die interaktive Menüführung der Software aktiv unterstützt. Wenn die Bauteile individuell identifizierbar sind – etwa per QR-Code – wird der Bediener beim Rüsten aufgefordert, jedes einzelne Bauteil zu scannen. So lässt sich die Bearbeitungs- und Qualitätshistorie für jedes einzelne Bauteil individuell nachvollziehen.

All diese Daten werden durch die ›GearEngine‹ in einer Datenbank abgelegt und können mithilfe des Klingelnberg ›Part Tracing‹ jederzeit wieder abgerufen werden. Darüber hinaus hilft das System, Bearbeitungs- und Handhabungsfehler auszuschließen. Dieses „Rundum-Sorglos-Gesamtpaket“ sorgt für höchste Qualität und eine maximale Produktivität bei der Herstellung von Zykloidenverzahnungen.

Download

Diesen Artikel finden Sie auch in Heft 4/2020 auf Seite 14. Zum besagten Heft führt ein Klick auf den nachfolgenden Button!

PDF-Heft

Mehr Informationen zur Klingelnberg GmbH:

Kontakt  Herstellerinfo 
KLINGELNBERG GmbH
Peterstraße 45
42499 Hückeswagen
Tel.: +49-2192-81 0
Fax: +49-2192-81 200
E-Mail: info@klingelnberg.com
www.klingelnberg.com

War dieser Artikel für Sie hilfreich?

Bitte bewerten Sie diese Seite durch Klick auf die Symbole.

Zugriffe heute: 3 - gesamt: 2843.