SKF eröffnet Sven Wingquist Test Center
Stärkstes Großlager-Prüfzentrum der Welt eröffnet
SKF hat in Schweinfurt ihr „Sven Wingquist Test Center“ offiziell eingeweiht. Dabei handelt es sich um das leistungsfähigste Großlager-Prüfzentrum der Welt. Die technologische Pionierleistung wird dazu beitragen, künftige Großlager-Generationen weiter zu verbessern – und sie zugleich viel effizienter und ressourcenschonender zu produzieren als bislang möglich. Unter dem Strich sollen die Kunden von optimierten Lösungen profitieren. Zu diesem Zweck werden zwei gigantische neue Teststände die Großlager-Prüflinge ordentlich „in den Schwitzkasten“ nehmen.
SKF verfügt schon seit vielen Jahren über ein breites Portfolio an extrem leistungsfähiger Software zur Berechnung und Simulation von Wälzlagerungen aller Art. Darunter befinden sich auch hochkomplexe Systeme, die das Lagerverhalten in einer virtuellen Umgebung eingehend untersuchen können: Mit einem Tool wie „SimPro Expert“ beispielsweise lässt sich das Verhalten des gesamten Welle-Lager-Gehäuse-Systems unter Berücksichtigung der exakten inneren Geometrie der Lager betrachten.
Unter anderem gibt das Programm die Verkippung der Lager und die daraus resultierenden Kontaktspannungen sowie die berechnete Lagerlebensdauer anhand verschiedener Methoden aus. Darin stecken nicht nur viele Jahre an Forschungs- und Entwicklungsarbeit, sondern auch Dekaden an Praxis-Erfahrung. Ähnliches gilt für ein noch mächtigeres Instrument wie „Beast“, das die SKF Ingenieure nutzen, um die dynamischen Verhältnisse innerhalb eines Lagers detailliert nachzubilden. Im Grunde ist Beast sogar eine Art „virtueller Prüfstand“, der eingehende Untersuchungen von Kräften, Momenten, usw. in einem Lager unter beliebigen Belastungen erlaubt.
Software zu soft für die Wirklichkeit
So ausgeklügelt die entsprechende Software auch sein mag: Bislang ist kein Simulationsprogramm der Welt imstande, sämtliche dynamischen Prozesse in besonders großen Lagern realitätsgetreu abzubilden. Eindeutiges Indiz: Noch immer kommt es in der knallharten Praxis vereinzelt zu vorzeitigen Ausfällen von Großlagern, obwohl diese nicht nur mit äußerster Akribie berechnet worden waren, sondern oft sogar über „konstruktive Sicherheitsreserven“ verfügten. In der Wirklichkeit müssen also gewisse Phänomene auftreten, die von den derzeitigen „Ursache-Wirkung-Algorithmen“ aktueller Simulationsmodelle einfach noch nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Unter anderem um solchen bislang rätselhaften Schadensursachen auf die Schliche zu kommen, hat SKF am Standort Schweinfurt rund 40 Millionen Euro in das leistungsfähigste Großlager-Prüfzentrum der Welt investiert. In dem futuristisch anmutenden Zwillingsgebäude werden zwei riesige Prüfstände die zu testenden Lager an ihre absoluten Belastungsgrenzen treiben.
Enorme Kräfte für die Windkraft
Der „Superman“ unter den beiden neuen Prüfständen ist der weltweit erste, der nicht nur ein einzelnes Windenergielager mit bis zu sechs Metern Außendurchmesser, sondern gleich die komplette Lagerungseinheit testen kann – also mitsamt Umbauteilen des jeweiligen Kunden. Der rund neun Meter breite, 11 Meter hohe und acht Meter tiefe Gigant wiegt etwa 700 Tonnen. Er verfügt über 64 radial und axial angeordnete Zylinder, die enorme dynamische Kräfte im Bereich von mehreren Meganewton entwickeln können.
Die Hydraulikzylinder wirken zunächst auf einen überdimensionalen „Stahl-Diskus“ ein, der im Inneren des Prüfstandes rotiert. Diese massive Scheibe hat einen Durchmesser von ca. sieben Metern und bringt allein 125 Tonnen auf die Waage. Sie überträgt die Kräfte aus den Hydraulikzylindern auf das zu prüfende Lager, indem der Prüfling per Adapter an der Scheibe befestigt wird.
Was womöglich nach einem unnötigen „Umweg“ klingt, hat in Wirklichkeit einen entscheidenden Vorteil: Dank dieses innovativen Konzepts werden die auf den Prüfling einwirkenden Kräfte nicht durch die „Eigen-Stabilität“ eines lastausübenden Lagers beschränkt. So können die 64 Zylinder in Kooperation mit der Scheibe über alle Achsen hinweg Kräfte entfesseln, die in ihrer Kombination um ein Mehrfaches höher liegen als bei der bislang stärksten Großlager-Prüfanlage. Außerdem erreicht der neue Prüfstand von SKF – gemessen an den Dimensionen der Prüflinge – auch noch sehr hohe Umdrehungsgeschwindigkeiten.
20 Jahre in wenigen Wochen
Die einzigartige Kombination aus Dynamik, maximalen Kräften und Biegemomenten sowie Drehzahlen hat einen kundenorientierten Grund: Damit sich Windenergieanlagen für ihre Betreiber rentieren, sollen die darin verbauten Großlager möglichst 20 Jahre und länger zuverlässig laufen.
Diese 20 Jahre – und alle in dieser Zeit denkbaren Belastungen – wird der neue Prüfstand dank eines beschleunigten Verfahrens innerhalb weniger Wochen bzw. Monate sehr realitätsgetreu abbilden können. Das spart nicht nur viel Zeit und Geld, sondern auch Energie; zumal die Abwärme der Testanlage per Wärmerückgewinnung für das Prüfzentrum selbst sowie die angrenzende Großlager-Fabrik genutzt wird. Unter anderem deshalb hat das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie diesen hocheffizienten „Stresstester“ mit rund 1,9 Mio. Euro gefördert.
Kräfte unter Kontrolle
Damit der mächtige Prüfstand seine gewaltigen Kräfte kontrolliert auf die Prüflinge aufbringen kann, sind seine unteren Gehäusesegmente mit rund zweihundert M80-Gewindebolzen und einer Vorspannkraft von mehreren Meganewton auf ihren Sockeln fixiert worden. Die Sockel, in denen die Schrauben stecken, sind Bestandteil eines 3.000 Tonnen schweren Fundaments, das vom Rest des offen und leicht anmutenden Gebäudes entkoppelt ist, um keine störenden Wechselwirkungen mit dem Gebäude selbst zu erzeugen.
Angesichts des massiven Unterbaus ist die Präzisionsarbeit an der Schnittstelle zwischen den Sockeln und den Gehäuse-Unterteilen umso erstaunlicher: Die Auflageflächen weisen über eine Distanz von rund zehn Metern nur wenige Zehntel Millimeter Abweichung in Sachen „Ebenheit“ auf.
Kleiner, flexibler, schneller
Im direkten Vergleich mit seinem „großen Bruder“ mag der kleinere der beiden neuen SKF Prüfstände zwar weniger monumental wirken, aber auch er hat es in sich: In seinem 130-Tonnen-Prüfkopf stecken vier Axial- und zwei Radialzylinder, die mit Hilfe von Außen- und Innenringadaptern auf verschiedenste Großlager-Designs einwirken können. Seine Prüflinge können beispielsweise aus Anwendungsbereichen wie dem Schiff- und Bergbau, der Papierbranche oder auch der Zement- und Stahlindustrie stammen. Das macht ihn außerordentlich vielseitig einsetzbar. Seiner „Flexibilität“ zum Trotz ist natürlich auch dieser Teststand ein äußerst stabiles Ungetüm: Sein Eigengewicht liegt bei rund 300 Tonnen.
Diese Anlage entwickelt Kräfte von gut einem halben Dutzend Meganewton (etwa so viel wie ein einzelnes Triebwerk der Saturn V-Mondrakete) und erreicht Rotationsgeschwindigkeiten von über 200 min-1. Durch die Kombination derartiger Lasten und Drehzahlen ist selbst der „David“ unter den beiden neuen SKF Prüfständen weltweit konkurrenzlos. Mit seinen einzigartigen Fähigkeiten wird auch er maßgebliche Potenziale zur Energie- und Materialeinsparung bei der Herstellung künftiger Großlager aufzeigen. Neben den erzielbaren Energieeinsparungen beim Testen selbst sind dies die wesentlichen Gründe dafür, dass dieser Prüfstand durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit im Rahmen des Innovationsprogramms mit rund 1,6 Mio. Euro gefördert wurde.
Knackpunkt Temperatur
An diesem Prüfstand kann das zu testende Lager neben den extremen Lasten auch extremen Schmierbedingungen ausgesetzt werden. Dazu wurde das System auf Öltemperaturen ausgelegt, die etwa doppelt so hoch wie „normal übliche“ sind. Aus diesem Temperaturspektrum wiederum können enorme tribologische Strapazen für den Prüfling resultieren: Laut Faustregel halbiert sich die Viskosität des Schmieröls bei jeder Steigerung der Temperatur um 10 °C.
Präzise Messungen am Prüfling
Erkenntnisse darüber, wo genau unter welchen Bedingungen welche dynamischen Effekte im Lager auftreten, gewinnen die SKF Experten mit Hilfe eines ganzes Arsenals von Sensoren, über die die Vorrichtung zur Aufnahme des Prüflings verfügt. Diese Sensoren erfassen nicht nur lokale Temperaturen und deren Trends, sondern beispielsweise auch Schwingungen und Kräfte sowie die Position kritischer Komponenten. Weiterhin ist eine sehr präzise Dosierung des Schmieröls an einer Vielzahl von Schmierpunkten möglich. Dadurch können die Tester in punkto „Schmiermittel-Menge“ die schwierigsten Bedingungen bei verschiedensten Lasten hervorrufen. Darüber hinaus erlaubt es die variable Dosierung in Kombination mit der Menge der Schmierpunkte, die Ölverteilung bzw. den internen Fluss im Prüfling extrem „lokal“ zu untersuchen.
Blick nach vorn
In den kommenden Monaten werden die SKF Ingenieure alles daran setzen, dass die prüftechnische Pionierleistung die extrem hohen Erwartungen an die Entdeckung bislang noch verborgener „Großlager-Geheimnisse“ auch Schritt für Schritt erfüllt. Derzeit arbeiten sie beispielsweise an der Validierung der massiven Hardware und der Kalibrierung der sensiblen Messtechnik.
Mehr Informationen zur SKF GmbH:
SKF GmbH | |
Gunnar-Wester-Straße 12 | |
97421 Schweinfurt | |
Tel.: +49 (0) 97 21 56-0 | |
Fax: +49 (0) 97 21 56-60 00 | |
www.skf.com |
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