Die "Atomsekunde" wird 50 Jahre alt
Basiseinheit der Zeit feiert Geburtstag
Mit ihr begann eine revolutionäre Entwicklung: Die „Atomsekunde“ wurde schon 1955 geboren, als die erste Cäsium-Atomuhr zu arbeiten begann. Im Herbst 1967 ging sie ins Internationale Einheitensystem SI ein. So kam eine Entwicklung in Gang, die voraussichtlich in einem Jahr ihren Abschluss nehmen wird: Im Herbst 2018 wird die 26. Generalkonferenz für Maß und Gewicht beschließen, dass das gesamte Internationale Einheitensystem (SI) auf unveränderlichen Eigenschaften der Natur beruhen soll: auf Naturkonstanten. Die Sekunde war (neben dem Meter) nicht nur zeitlich gesehen ganz vorne mit dabei. Sie führt auch im Wettlauf der Genauigkeiten: Keine Einheit lässt sich genauer realisieren. Heutige Cäsium-Atomuhren, wie die vier primären Uhren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), die in Deutschland für die Realisierung und Verbreitung der gesetzlichen Zeit zuständig sind, „machen“ die Zeit mit einer unvorstellbaren Genauigkeit von 16 Stellen hinter dem Komma.
„Sie bieten uns ein schönes Thema zum Reflektieren: die Messung der Sternenbahnen in einem unermesslich weiten Kosmos mithilfe der Schwingung eines unendlich kleinen Atoms.“ So poetisch drückte der damalige französische Außenminister aus, was kurz danach in Paris passieren würde: Die versammelten Wissenschaftler und Politiker beschlossen auf der 13. Generalkonferenz für Maß und Gewicht im Oktober 1967 – genau: am 13. Oktober 1967 –, die Sekunde neu zu definieren: „Die Sekunde ist das 9 192 631 770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustands von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung.“
Damit war die Sekunde auf der Grundlage eines atomaren Quantenüberganges definiert. Die große Zahl in der Definition steht für etwas mehr als 9 Milliarden Schwingungen pro Sekunde – eine ganz bestimmte Frequenz von Mikrowellenstrahlen, die eben diesen Quantenübergang im äußersten Elektron des Cäsiumatoms in Gang bringen. Diese Definition gilt bis heute. Nicht einmal beim Übergang zum „neuen“ SI im nächsten Herbst muss sie angetastet werden – offensichtlich ist sie vor fünfzig Jahren sehr vorausschauend und zukunftsfähig formuliert worden.
Historisch gesehen ist die Zeit – neben der Länge und dem Gewicht – sicher eine der wichtigsten Messgrößen überhaupt. Obwohl Philosophen wie Physiker sich nicht leicht tun mit der Definition, was die Zeit überhaupt ist, so gehört sie doch selbstverständlich zum Leben dazu. Und seit vielen Jahrtausenden wird sie gemessen, zunächst anhand der Bewegung der Erde gegenüber der Sonne und dem Fixsternhimmel. Das erlaubte es, die Zeit überall einfach zu bestimmen; das war lange wichtiger, als sie besonders präzise zu messen.
Erst im Industriezeitalter änderte sich das und brachte eine enorme Beschleunigung in der Geschichte der Zeitmessung mit sich: Einige Jahrtausende Sonnenuhren, einige Jahrhunderte Pendeluhren, rund ein Jahrhundert Quarzuhren, fünf Jahrzehnte Atomuhren, die alle zehn Jahre zehnmal genauer werden – so sieht ganz kurz gefasst der „Zeitstrahl der Zeitmessung“ aus.
Einer der frühesten Vorschläge für das moderne Messen aller physikalischen Größen stammt von dem Physiker James Clerk Maxwell. Er forderte schon 1870, man solle sich nicht auf die von der Erde gelieferten Maße, wie die Tageslänge für die Sekunde oder den Erdumfang für den Meter, beziehen, sondern stattdessen Naturkonstanten für die Festlegung der physikalischen Einheiten verwenden. Eine geeignete Naturkonstante für die Messung der Zeit brachte 1940 der amerikanische Physiker Isidor Isaac Rabi ins Spiel: die Übergangsfrequenz zwischen zwei ausgewählten Zuständen eines Atoms.
Besonders geeignet seien, so Rabi, die Hyperfeinstrukturzustände im Atom 133Cs, einem nicht radioaktiven Cäsium-Isotop. Rabi bekam 1944 den Nobelpreis, und sein Vorschlag als „radio frequencies in hearts of atoms would be used in most accurate of time-pieces“ schaffte es an prominenter Stelle in die Ausgabe der New York Times vom 21. Januar 1945.
Zehn Jahre später, 1955, „tickte“ die erste Cäsium-Atomuhr im englischen National Physical Laboratory (NPL). Gleichzeitig liefen schon seit einigen Jahren die Vorbereitungen für das spätere Internationale Einheitensystem, das 1960 ins Leben gerufen werden sollte. Aber die Beteiligten in den Organen der Meterkonvention trauten der schönen neuen Sekunden-Welt noch nicht recht; vorerst ließ man die Zeit in der Hand der Astronomen: 1960 wurde die sogenannte Ephemeriden-Sekunde festgelegt, die aus heutiger Sicht wenig hilfreich war. Aber im Herbst 1967 hatten sich diejenigen durchgesetzt, denen die Chancen der Atomuhrentechnik klar waren. Von nun an galt die „moderne“ Sekundendefinition.
In der PTB tickte 1969 die erste selbstgebaute Cäsium-Atomuhr. Bis heute sind noch drei weitere dazugekommen. Die PTB gehört heute zu den führenden „Zeit-Machern“; ihre Cäsium-Atomuhren haben einen großen Anteil an der Erzeugung der internationalen Zeitskala. Und auch die Uhren der nächsten Generation, die sogenannten optischen Atomuhren, zeigen hier schon ihr großes Potential – aber das könnte dann das Thema einer Jubiläumsmeldung in zehn Jahren sein.
Mehr Informationen zum PTB:
Physikalisch-Technische Bundesanstalt PTB | |
Bundesallee 100 | |
38116 Braunschweig | |
Tel.: (0531) 592-0 | |
E-Mail: info@ptb.de | |
www.ptb.de |
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