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Die Illusion von der heilen Welt

Feinste Politsatire zum Schmunzeln

Nach einem harten Arbeitstag ist Entspannung bei einem guten Buch sehr erwünscht. Wer Sinn für hintergründigen, politischen Humor hat, dem sei die herrliche Fabel ›Das Parlament der Tiere‹ von Thomas Böhm empfohlen. Hier wird auf köstliche Art und Weise die Demokratie und deren Politbetrieb auf die Schippe genommen.


Ein Wolf im Schafspelz, ein Platzhirsch, ein Blindfisch, eine Eintagsfliege, ein Stinktier, ein Hornochse, ein Kredithai, ein Versuchskaninchen und jede Menge andere Alpha-Tiere packen die Chance am Schopf, nachdem die Menschheit auf wundersame Weise von der Erde verschwunden ist: Sie beschließen, Parteien zu gründen, um künftig dem System ›Fressen und gefressen werden‹ zu entfliehen. Die parlamentarische Demokratie der nicht mehr vorhandenen Menschen wird als Allheilmittel gegen dieses Übel angestrebt.

Der Weg dorthin wird im Buch von Thomas Böhm derart umwerfend und politisch genial beschrieben, dass jede Seite des Buches mit großem Vergnügen gelesen wird. Er lässt zum Beispiel den Platzhirschen eine politische Rede mit den Worten »Meine wunderbaren Männchen und Weibchen, mein lieber Schwan« beginnen und mit den Worten »Jetzt sind wir die neuen Herrscher der Welt. Und das ist gut so.« enden.

Die neuen Herren der Schöpfung beschäftigen sich in dieser Situation natürlich auch mit dem Sinn des Lebens. Die Bibliotheken der Menschen sind ja noch da. Dort könnte man eventuell Antworten finden. Doch nach intensiver Debatte wird darauf verzichtet, das Material zu sichten, da »die Menschen sich wegen dieser Schriften ständig in die Haare gekriegt haben«, wie der Dompfaff feststellte.

Aber nützlichere Hinterlassenschaften der Menschen wurden bald wieder genutzt, wie eine diebische Elster feststellen musste, die im Stadtgefängnis landete – sie klaute wie ein Rabe. Wer sich auf dem Amt vordrängelt, der bekommt es mit der Warteschlange zu tun, die zischelnd für Ordnung sorgt, damit jedes Tier bis zum Amtsschimmel vordringen kann. Dort erfährt man dann, dass der Schreibtischhengst beschlossen hat, ab sofort die Vorfahrt abzuschaffen, da diese schließlich alle diskriminiert, die warten müssen.

Von den Menschen haben die Tiere gelernt, dass Wahlgeschenke die Chancen erhöhen, an die Macht zu kommen. Die Parteimitglieder treffen daher Vorkehrung, Leckerbissen zu verteilen. Dazu werden zwei Teile Hülsenfrüchte mit einem Teil Buchstabensuppe vermengt. Das reicht für jede Menge Worthülsen. Da dies teuer ist, wurde auch gleich beschlossen, dass es nach der Wahl nur mehr Einheitsbrei gibt.

Damit man gewählt wird, müssen aber auch die Sorgen und Ängste der Tiere ernst genommen werden. Da sind beispielsweise die Raubtiere, die nach dem Ausbruch der Zootiere zu einer verfolgten Minderheit wurden. Sie fordern daher die Einrichtung einer Tierrechtskommission. Auch der Frechdachs macht sich murrend bemerkbar und jammert, dass es keine Beutetiere mehr gibt und es momentan selbst dem Teufel besser gehe, da dieser in Notzeiten wenigstens noch von Fliegen leben könne.

Doch das ist noch nicht die Hauptarbeit für die Parteiführung. Natürlich bedarf es auch Spenden, damit eine Partei wachsen und gedeihen kann. Ein besonders eifriger Spender ist der Pleitegeier, der stets betont, alles zu geben, wenn es der Partei dienlich ist.

Ein Programm sowie eine Satzung sind die nächsten Hürden auf dem Weg zu einer schlagkräftigen Wählervertretung. Die Partei „Bärendienst“ hat sich dazu etwas besonders Umfassendes ausgedacht. In der Satzung heißt es: »Bei uns geht alles mit rechten Dingen zu«. Ebenso prägnant das Wahlprogramm: ›Alles wird gut!‹ Menschen hätten es nicht besser formulieren können. Da kann die Konkurrenz nur staunen vor so viel Cleverness. Die Partei „Sauhaufen“ hat nichts dergleichen vorzuweisen.

Das Zugpferd wird beauftragt, die frohe Kunde in die Welt zu tragen und so die Mitgliederzahl zu steigern. Schließlich gibt es jede Menge Rindviecher, die scharf auf Posten sind. Auf Wahlkampfveranstaltungen wird darum geworben, dass künftig jedes Tier das andere respektiert, dass alle Tiere gleichwertig seien und gleich behandelt werden, egal welcher Rasse, welcher Gattung, welcher Art und welchem Geschlecht sie angehören. Es wird für die Abschaffung der Geschlechter- und Artentrennung geworben und dass es keine Rassenunterschiede mehr gäbe. Dies ist schließlich alternativlos und nachhaltig.

Zudem wird darum geworben, die Sonne abzuschaffen. Denn diese scheint nicht immer gleich. Irgendwelche Tiere haben daher stets die Arschkarte gezogen, was total diskriminierend ist. Wenn überall das gleiche Klima herrscht, dann muss niemand mehr unter Hundstage, Affenhitze oder Schafskälte leiden. Auch gegen die Artenvielfalt wird gewettert, weil es schöne und weniger schöne Tiere gibt. Die Tiere sollen ähnlich werden, damit die soziale Gerechtigkeit zur Geltung kommt und es nur mehr Demokratiere gibt.

Nach der Wahl übernimmt der Pleitegeier das Wirtschaftsressort, das Sparschwein ist für die Finanzen zuständig und der Kredithai ist für die Landebank zuständig. Das Bildungsministerium übernimmt der Hornochse. Er soll dafür sorgen, dass die Untertanen nicht zu schlau werden, um aufzubegehren.

Nun beginnt die Regierungsarbeit. Dieses Schema ist aus der Zeit der Menschen noch gut bekannt. Während sich die Abgeordneten Diäten gönnen, wird das Volk auf Diät gesetzt. Das hält fit und ist gesund. Überall werden Verbotsschilder aufgestellt und Gürteln zum enger schnallen verteilt. Damit das System in Ruhe umgebaut werden kann, wird überlegt, die Legislaturperiode auf 50 Jahre zu verlängern.

Es sind schließlich so wichtige Dinge, wie etwa die Chancengleichheit zu regeln. Daher werden Frischlinge, Küken, Lämmer, Welpen und alle anderen jungen Tiere der Chancengleichheit willen direkt nach der Geburt unter staatliche Aufsicht gestellt. Wie es dann weitergeht, soll an dieser Stelle nicht verraten werden, denn die schöne Illusion einer heilen Welt soll den Tieren noch eine Weile gegönnt sein.

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Titel: Das Parlament der Tiere
Autor: Thomas Böhm
Verlag: Tredition Verlag
ISBN: 978-3-8495-5074-5
Jahr: 2012
Preis: 12,99
www.tredition.de
 

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